Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 321 |
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Text (Kant):
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01 | so will ich die Vernunft dem besagten einfachen Wesen als eine | ||||||
02 | innere Eigenschaft lassen, für jetzt es aber nur in äußeren Verhältnissen | ||||||
03 | betrachten. Und nunmehr frage ich: wenn ich diese einfache Substanz in | ||||||
04 | jenen Raum vom Kubikfuß, der voll Materie ist, setzen will, wird alsdann | ||||||
05 | ein einfaches Element derselben den Platz räumen müssen, damit ihn dieser | ||||||
06 | Geist erfülle? Meinet ihr, ja? Wohlan, so wird der gedachte Raum, um | ||||||
07 | einen zweiten Geist einzunehmen, ein zweites Elementartheilchen verlieren | ||||||
08 | müssen, und so wird endlich, wenn man fortfährt, ein Kubikfuß Raum von | ||||||
09 | Geistern erfüllt sein, deren Klumpe eben so wohl durch Undurchdringlichkeit | ||||||
10 | widersteht, als wenn er voll Materie wäre, und eben so wie diese der | ||||||
11 | Gesetze des Stoßes fähig sein muß. Nun würden aber dergleichen Substanzen, | ||||||
12 | ob sie gleich in sich Vernunftkraft haben mögen, doch äußerlich | ||||||
13 | von den Elementen der Materie gar nicht unterschieden sein, bei denen | ||||||
14 | man auch nur die Kräfte ihrer äußeren Gegenwart kennt und, was zu | ||||||
15 | ihren inneren Eigenschaften gehören mag, gar nicht weiß. Es ist also | ||||||
16 | außer Zweifel, daß eine solche Art einfacher Substanzen nicht geistige | ||||||
17 | Wesen heißen würden, davon Klumpen zusammengeballt werden könnten. | ||||||
18 | Ihr werdet also den Begriff eines Geistes nur beibehalten können, wenn | ||||||
19 | ihr euch Wesen gedenkt, die sogar in einem von Materie erfüllten Raume | ||||||
20 | gegenwärtig sein können;*) Wesen also, welche die Eigenschaft der Undurchdringlichkeit | ||||||
21 | nicht an sich haben, und deren so viele, als man auch | ||||||
22 | will, vereinigt niemals ein solides Ganze ausmachen. Einfache Wesen von | ||||||
23 | dieser Art werden immaterielle Wesen und, wenn sie Vernunft haben, | ||||||
24 | Geister genannt werden. Einfache Substanzen aber, deren Zusammensetzung | ||||||
25 | ein undurchdringliches und ausgedehntes Ganze giebt, werden | ||||||
26 | materielle Einheiten, ihr Ganzes aber Materie heißen. Entweder der Name | ||||||
27 | eines Geistes ist ein Wort ohne allen Sinn, oder seine Bedeutung ist die | ||||||
28 | angezeigte. | ||||||
*) Man wird hier leichtlich gewahr: daß ich nur von Geistern, die als Theile zum Weltganzen gehören, und nicht von dem unendlichen Geiste rede, der der Urheber und Erhalter desselben ist. Denn der Begriff von der geistigen Natur des letzteren ist leicht, weil er lediglich negativ ist und darin besteht, daß man die Eigenschaften der Materie an ihm verneint, die einer unendlichen und schlechterdings nothwendigen Substanz widerstreiten. Dagegen bei einer geistigen Substanz, die mit der Materie in Vereinigung sein soll, wie z. E. der menschlichen Seele, äußert sich die Schwierigkeit: daß ich eine wechselseitige Verknüpfung derselben mit körperlichen Wesen zu einem Ganzen denken und dennoch die einzige bekannte Art der Verbindung, welche unter materiellen Wesen statt findet, aufheben soll. | |||||||
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