Kant: AA II, Untersuchung über die ... , Seite 299

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Und hier finden wir, daß eine solche unmittelbare oberste Regel      
  02 aller Verbindlichkeit schlechterdings unerweislich sein müsse. Denn es ist      
  03 aus keiner Betrachtung eines Dinges oder Begriffes, welche es auch sei,      
  04 möglich zu erkennen und zu schließen, was man thun solle, wenn dasjenige      
  05 was vorausgesetzt ist, nicht ein Zweck und die Handlung ein Mittel ist.      
  06 Dieses aber muß es nicht sein, weil es alsdann keine Formel der Verbindlichkeit,      
  07 sondern der problematischen Geschicklichkeit sein würde.      
           
  08 Und nun kann ich mit wenigem anzeigen, daß, nachdem ich über      
  09 diesen Gegenstand lange nachgedacht habe, ich bin überzeugt worden, daß      
  10 die Regel: Thue das Vollkommenste, was durch dich möglich ist, der erste      
  11 formale Grund aller Verbindlichkeit zu handeln sei, so wie der Satz:      
  12 Unterlasse das, wodurch die durch dich größtmögliche Vollkommenheit verhindert      
  13 wird, es in Ansehung der Pflicht zu unterlassen ist. Und gleichwie      
  14 aus den ersten formalen Grundsätzen unserer Urtheile vom Wahren      
  15 nichts fließt, wo nicht materiale erste Gründe gegeben sind, so fließt allein      
  16 aus diesen zwei Regeln des Guten keine besonders bestimmte Verbindlichkeit,      
  17 wo nicht unerweisliche materiale Grundsätze der praktischen Erkenntniß      
  18 damit verbunden sind.      
           
  19 Man hat es nämlich in unsern Tagen allererst einzusehen angefangen:      
  20 daß das Vermögen, das Wahre vorzustellen, die Erkenntniß, dasjenige      
  21 aber, das Gute zu empfinden, das Gefühl sei, und daß beide ja nicht      
  22 mit einander müssen verwechselt werden. Gleichwie es nun unzergliederliche      
  23 Begriffe des Wahren, d. i. desjenigen, was in den Gegenständen der      
  24 Erkenntniß, für sich, betrachtet angetroffen wird, giebt, also giebt es auch      
  25 ein unauflösliches Gefühl des Guten (dieses wird niemals in einem Dinge      
  26 schlechthin, sondern immer beziehungsweise auf ein empfindendes Wesen      
  27 angetroffen). Es ist ein Geschäfte des Verstandes, den zusammengesetzten      
  28 und verworrenen Begriff des Guten aufzulösen und deutlich zu machen,      
  29 indem er zeigt, wie er aus einfachern Empfindungen des Guten entspringe.      
  30 Allein ist dieses einmal einfach, so ist das Urtheil: dieses ist gut, völlig      
  31 unerweislich und eine unmittelbare Wirkung von dem Bewußtsein des      
  32 Gefühls der Lust mit der Vorstellung des Gegenstandes. Und da in uns      
  33 ganz sicher viele einfache Empfindungen des Guten anzutreffen sind, so      
  34 giebt es viele dergleichen unauflösliche Vorstellungen. Demnach wenn      
  35 eine Handlung unmittelbar als gut vorgestellt wird, ohne daß sie auf eine      
  36 versteckte Art ein gewisses andre Gut, welches durch Zergliederung darin      
  37 kann erkannt werden, und warum sie vollkommen heißt, enthält, so ist die      
           
     

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