Kant: AA II, Untersuchung über die ... , Seite 290

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Schlafe haben mögen. Dunkle Vorstellungen sind diejenigen, deren      
  02 man sich nicht bewußt ist. Nun zeigen einige Erfahrungen, daß wir auch      
  03 im tiefen Schlafe Vorstellungen haben, und da wir uns deren nicht bewußt      
  04 sind, so sind sie dunkel gewesen. Hier ist das Bewußtsein von zwiefacher      
  05 Bedeutung. Man ist sich entweder einer Vorstellung nicht bewußt,      
  06 daß man sie habe, oder, daß man sie gehabt habe. Das erstere bezeichnet      
  07 die Dunkelheit der Vorstellung, so wie sie in der Seele ist; das zweite      
  08 zeigt weiter nichts an, als daß man sich ihrer nicht erinnere. Nun giebt      
  09 die angeführte Instanz lediglich zu erkennen, daß es Vorstellungen geben      
  10 könne, deren man sich im Wachen nicht erinnert, woraus aber gar nicht      
  11 folgt, daß sie im Schlafe nicht sollten mit Bewußtsein klar gewesen sein;      
  12 wie in dem Exempel des Herrn Sauvage von der starrsüchtigen Person,      
  13 oder bei den gemeinen Handlungen der Schlafwanderer. Indessen wird      
  14 dadurch, daß man gar zu leicht ans Schließen geht, ohne vorher durch      
  15 Aufmerksamkeit auf verschiedene Fälle jedesmal dem Begriffe seine Bedeutung      
  16 gegeben zu haben, in diesem Falle ein vermuthlich großes Geheimni      
  17 der Natur mit Achtlosigkeit übergangen: nämlich daß vielleicht im      
  18 tiefsten Schlafe die größte Fertigkeit der Seele im vernünftigen Denken      
  19 möge ausgeübt werden; denn man hat keinen andern Grund zum Gegentheil,      
  20 als daß man dessen sich im Wachen nicht erinnert, welcher Grund      
  21 aber nichts beweist.      
           
  22 Es ist noch lange die Zeit nicht, in der Metaphysik synthetisch zu      
  23 verfahren; nur wenn die Analysis uns wird zu deutlich und ausführlich      
  24 verstandenen Begriffen verholfen haben, wird die Synthesis den einfachsten      
  25 Erkenntnissen die zusammengesetzte, wie in der Mathematik, unterordnen      
  26 können.      
           
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Dritte Betrachtung.

     
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Von der Natur der metaphysischen Gewißheit.

     
           
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§ 1.
     
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Die philosophische Gewißheit ist überhaupt von anderer
     
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Natur als die mathematische.
     
           
  32 Man ist gewiß, in so fern man erkennt, daß es unmöglich sei, daß      
  33 eine Erkenntniß falsch sei. Der Grad dieser Gewißheit, wenn er objective      
  34 genommen wird, kommt auf das Zureichende in den Merkmalen von der      
           
     

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