Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 174 |
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| 01 | abgezogen hat, von der sie sich hat abziehen lassen, man wissen | ||||||
| 02 | könne, zu welcher beiderlei Größen das Facit gehöre. So würde man in | ||||||
| 03 | dem vorher erwähnten Falle einerlei herausbekommen, wenn der Gang | ||||||
| 04 | mit dem Ostwinde durch - und die Fahrt mit dem Westwinde durch | ||||||
| 05 | wäre bezeichnet worden, nur daß das Facit alsdann - zum Zeichen gehabt | ||||||
| 06 | hätte. | ||||||
| 07 | Hieraus entspringt der mathematische Begriff der negativen | ||||||
| 08 | Größen. Eine Größe ist in Ansehung einer andern negativ, in so fern | ||||||
| 09 | sie mit ihr nicht anders als durch die Entgegensetzung kann zusammen genommen | ||||||
| 10 | werden, nämlich so, daß eine in der andern, so viel ihr gleich ist, | ||||||
| 11 | aufhebt. Dieses ist nun freilich wohl ein Gegenverhältniß, und Größen, | ||||||
| 12 | die einander so entgegengesetzt sind, heben gegenseitig von einander ein | ||||||
| 13 | Gleiches auf, so daß man also eigentlich keine Größe schlechthin negativ | ||||||
| 14 | nennen kann, sondern sagen muß, daß +a und -a eines die negative | ||||||
| 15 | Größe der andern sei; allein, da dieses immer im Sinne kann hinzugedacht | ||||||
| 16 | werden, so haben die Mathematiker einmal den Gebrauch angenommen | ||||||
| 17 | die Größen, vor denen das - steht, negative Größen zu nennen, wobei | ||||||
| 18 | man gleichwohl nicht aus der Acht lassen muß, daß diese Benennung | ||||||
| 19 | nicht eine besondere Art Dinge ihrer inneren Beschaffenheit nach, sondern | ||||||
| 20 | dieses Gegenverhältniß anzeige, mit gewissen andern Dingen, die durch | ||||||
| 21 | bezeichnet werden, in einer Entgegensetzung zusammen genommen zu | ||||||
| 22 | werden. | ||||||
| 23 | Damit wir aus diesem Begriffe dasjenige, was eigentlich der Gegenstand | ||||||
| 24 | für die Philosophie ist, herausnehmen, ohne besonders auf die Größe | ||||||
| 25 | zu sehen, so bemerken wir zuerst, daß in ihm die Entgegensetzung enthalten | ||||||
| 26 | sei, welche wir oben die reale genannt haben. Es seien +8 Capitalien, | ||||||
| 27 | -8 Passivschulden, so widerspricht es sich nicht, daß beide einer Person | ||||||
| 28 | zukommen. Indessen hebt die eine ein Gleiches auf, das durch die andre | ||||||
| 29 | gesetzt war, und die Folge ist Zero. Ich werde demnach die Schulden | ||||||
| 30 | negative Capitalien nennen. Hierunter aber werde ich nicht verstehen, | ||||||
| 31 | daß sie Negationen oder bloße Verneinungen von Capitalien wären; denn | ||||||
| 32 | alsdann hätten sie selber zum Zeichen das Zero, und dieses Capital und | ||||||
| 33 | Schulden zusammen würden den Werth des Besitzes geben 8+0=8 , | ||||||
| 34 | welches falsch ist, sondern daß die Schulden positive Gründe der Verminderung | ||||||
| 35 | der Capitalien seien. Da nun diese ganze Benennung jederzeit | ||||||
| 36 | nur das Verhältniß gewisser Dinge gegen einander anzeigt, ohne | ||||||
| 37 | welches dieser Begriff sogleich aufhört, so würde es ungereimt sein darum | ||||||
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