Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 121 |
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| 01 | Gesetzen der Statik vermittelst der Umdrehung gerade diese Gestalt angenommen. | ||||||
| 02 | Er kannte so gut wie sonst jemand die Vortheile, die in der | ||||||
| 03 | Kugelrundung eines Weltkörpers liegen, und auch die höchst nöthige Abplattung, | ||||||
| 04 | um den nachtheiligen Folgen der Achsendrehung vorzubeugen. | ||||||
| 05 | Dieses sind insgesammt Anordnungen, die eines weisen Urhebers würdig | ||||||
| 06 | sind. Gleichwohl trug er kein Bedenken sie den nothwendigsten mechanischen | ||||||
| 07 | Gesetzen als eine Wirkung beizumessen, und besorgte nicht, dabei | ||||||
| 08 | den großen Regierer aller Dinge aus den Augen zu verlieren. | ||||||
| 09 | Es ist also auch sicher zu vermuthen, daß er nimmermehr in Ansehung | ||||||
| 10 | des Baues der Planeten, ihrer Umläufe und der Stellung ihrer | ||||||
| 11 | Kreise unmittelbar zu einer göttlichen Anstalt seine Zuflucht würde genommen | ||||||
| 12 | haben, wenn er nicht geurtheilt hätte: daß hier ein mechanischer | ||||||
| 13 | Ursprung unmöglich sei, nicht wegen der Unzulänglichkeit derselben zur | ||||||
| 14 | Regelmäßigkeit und Ordnung überhaupt (denn warum besorgte er nicht | ||||||
| 15 | diese Untauglichkeit in dem vorher erwähnten Falle?) , sondern weil die | ||||||
| 16 | Himmelsräume leer sind, und keine Gemeinschaft der Wirkungen der Planeten | ||||||
| 17 | ineinander, ihre Kreise zu stellen, in diesem Zustande möglich ist. | ||||||
| 18 | Wenn es ihm indessen beigefallen wäre zu fragen, ob sie denn auch jederzeit | ||||||
| 19 | leer gewesen, und ob nicht wenigstens im allerersten Zustande, da | ||||||
| 20 | diese Räume vielleicht im Zusammenhange erfüllt waren, diejenige Wirkung | ||||||
| 21 | möglich gewesen, deren Folgen sich seitdem erhalten haben, wenn er | ||||||
| 22 | von dieser allerältesten Beschaffenheit eine gegründete Vermuthung gehabt | ||||||
| 23 | hätte, so kann man versichert sein, daß er auf eine der Philosophie | ||||||
| 24 | geziemende Art in den allgemeinen mechanischen Gesetzen die Gründe von | ||||||
| 25 | der Beschaffenheit des Weltbaues gesucht haben würde, ohne desfalls in | ||||||
| 26 | Sorgen zu sein, daß diese Erklärung den Ursprung der Welt aus den | ||||||
| 27 | Händen des Schöpfers der Macht des Ungefährs überlieferte. Das berühmte | ||||||
| 28 | Beispiel des Newton darf demnach nicht dem faulen Vertrauen | ||||||
| 29 | zum Vorwande dienen, eine übereilte Berufung auf eine unmittelbare | ||||||
| 30 | göttliche Anstalt für eine Erklärung in philosophischem Geschmacke auszugeben. | ||||||
| 32 | Überhaupt haben freilich unzählbare Anordnungen der Natur, da sie | ||||||
| 33 | nach den allgemeinsten Gesetzen immer noch zufällig sind, keinen andern | ||||||
| 34 | Grund als die weise Absicht desjenigen, der gewollt hat, daß sie so und | ||||||
| 35 | nicht anders verknüpft werden sollten. Aber man kann nicht umgekehrt | ||||||
| 36 | schließen: wo eine natürliche Verknüpfung mit demjenigen übereinstimmt, | ||||||
| 37 | was einer weisen Wahl gemäß ist, da ist sie auch nach den allgemeinen | ||||||
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