Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 111

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Abzielung der Naturdinge zur Vollkommenheit abzuweichen. Und um      
  02 deswillen kann man erwarten, daß übernatürliche Ergänzungen nöthig      
  03 sein dürften, weil es möglich ist, daß in diesem Betracht der Lauf der      
  04 Natur mit dem Willen Gottes bisweilen widerstreitend sein könne. Indessen      
  05 da selbst die Kräfte frei handlender Wesen in der Verknüpfung mit      
  06 dem Übrigen des Universum nicht ganz allen Gesetzen entzogen sind,      
  07 sondern immer, wenn gleich nicht nöthigenden Gründen, dennoch solchen,      
  08 die nach den Regeln der Willkür die Ausübung auf eine andere Art gewiß      
  09 machen, unterworfen sind, so ist die allgemeine Abhängigkeit der Wesen      
  10 der Dinge von Gott auch hier noch jederzeit ein großer Grund, die Folgen,      
  11 die selbst unter dieser Art von Dingen nach dem Laufe der Natur sich      
  12 zutragen, (ohne daß die scheinbare Abweichung in einzelnen Fällen uns      
  13 irre machen darf) im Ganzen für anständig und der Regel des Besten      
  14 gemäß einzusehen: so daß nur selten die Ordnung der Natur einer unmittelbarn      
  15 übernatürlichen Verbesserung oder Ergänzung benöthigt ist,      
  16 wie denn auch die Offenbarung derselben nur in Ansehung gewisser Zeiten      
  17 und gewisser Völker Erwähnung thut. Die Erfahrung stimmt auch mit      
  18 dieser Abhängigkeit sogar der freiesten Handlungen von einer großen      
  19 natürlichen Regel überein. Denn so zufällig wie auch immer die Entschließung      
  20 zum Heirathen sein mag, so findet man doch in eben demselben      
  21 Lande, daß das Verhältniß der Ehen zu der Zahl der Lebenden ziemlich      
  22 beständig sei, wenn man große Zahlen nimmt, und daß z. E. unter 110      
  23 Menschen beiderlei Geschlechts sich ein Ehepaar findet. Jedermann weiß,      
  24 wie viel die Freiheit der Menschen zu Verlängerung oder Verkürzung des      
  25 Lebens beitrage. Gleichwohl müssen selbst diese freie Handlungen einer      
  26 großen Ordnung unterworfen sein, weil im Durchschnitte, wenn man      
  27 große Mengen nimmt, die Zahl der Sterbenden gegen die Lebenden sehr      
  28 genau immer in eben demselben Verhältniß steht. Ich begnüge mich mit      
  29 diesen wenigen Beweisthümern, um es einigermaßen verständlich zu      
  30 machen, daß selbst die Gesetze der Freiheit keine solche Ungebundenheit in      
  31 Ansehung der Regeln einer allgemeinen Naturordnung mit sich führen,      
  32 daß nicht eben derselbe Grund, der in der übrigen Natur schon in den      
  33 Wesen der Dinge selbst eine unausbleibliche Beziehung auf Vollkommenheit      
  34 und Wohlgereimtheit befestigt, auch in dem natürlichen Laufe des      
  35 freien Verhaltens wenigstens eine größere Lenkung auf ein Wohlgefallen      
  36 des höchsten Wesens ohne vielfältige Wunder verursachen sollte. Mein      
  37 Augenmerk ist aber mehr auf den Verlauf der Naturveränderungen gerichtet,      
           
     

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