Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 086 |
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01 | der Schmerz in den Empfindungen eines Geistes nimmermehr eine bloße | ||||||
02 | Beraubung. Ein irriger Gedanke hat eine solche Vorstellung dem Scheine | ||||||
03 | nach gerechtfertigt. Es heißt: Realität und Realität widersprechen einander | ||||||
04 | niemals, weil beides wahre Bejahungen sind; demnach widerstreiten | ||||||
05 | sie auch einander nicht in einem Subjecte. Ob ich nun gleich einräume, | ||||||
06 | daß hier kein logischer Widerstreit sei, so ist dadurch doch nicht die Realrepugnanz | ||||||
07 | gehoben. Diese findet jederzeit statt, wenn etwas als ein Grund | ||||||
08 | die Folge von etwas anderm durch eine reale Entgegensetzung vernichtigt. | ||||||
09 | Die Bewegungskraft eines Körpers nach einer Direction und die Tendenz | ||||||
10 | mit gleichem Grade in entgegengesetzter stehen nicht im Widerspruche. Sie | ||||||
11 | sind auch wirklich zugleich in einem Körper möglich. Aber eine vernichtigt | ||||||
12 | die Realfolge aus der andern, und da sonst von jeder insbesondere die | ||||||
13 | Folge eine wirkliche Bewegung sein würde, so ist sie jetzt von beiden zusammen | ||||||
14 | in einem Subjecte 0, das ist, die Folge von diesen entgegen gesetzten | ||||||
15 | Bewegungskräften ist die Ruhe. Die Ruhe aber ist ohne Zweifel | ||||||
16 | möglich, woraus man denn auch sieht, daß die Realrepugnanz ganz was | ||||||
17 | anders sei als die logische oder der Widerspruch; denn das, was daraus | ||||||
18 | folgt, ist schlechterdings unmöglich. Nun kann aber in dem allerrealsten | ||||||
19 | Wesen keine Realrepugnanz oder positiver Widerstreit seiner eigenen Bestimmungen | ||||||
20 | sein, weil die Folge davon eine Beraubung oder Mangel sein | ||||||
21 | würde, welches seiner höchsten Realität widerspricht, und da, wenn alle | ||||||
22 | Realitäten in demselben als Bestimmungen lägen, ein solcher Widerstreit | ||||||
23 | entstehen müßte, so können sie nicht insgesammt als Prädicate in ihm | ||||||
24 | sein, mithin weil sie doch alle durch ihn gegeben sind, so werden sie entweder | ||||||
25 | zu seinen Bestimmungen oder Folgen gehören. | ||||||
26 | Es könnte auch beim ersten Anblick scheinen zu folgen: daß, weil das | ||||||
27 | nothwendige Wesen den letzten Realgrund aller andern Möglichkeit enthält, | ||||||
28 | in ihm auch der Grund der Mängel und Verneinungen der Wesen | ||||||
29 | der Dinge liegen müsse, welches, wenn es zugelassen würde, auch den | ||||||
30 | Schluß veranlassen dürfte, daß es selbst Negationen unter seinen Prädicaten | ||||||
31 | haben müsse und nimmermehr nichts als Realität. Allein man richte | ||||||
32 | nur seine Augen auf den einmal festgesetzten Begriff desselben. In seinem | ||||||
33 | Dasein ist seine eigene Möglichkeit ursprünglich gegeben. Dadurch, daß | ||||||
34 | es nun andere Möglichkeiten sind, wovon es den Realgrund enthält, folgt | ||||||
35 | nach dem Satze des Widerspruchs, daß es nicht die Möglichkeit des realsten | ||||||
36 | Wesens selber und daher solche Möglichkeiten, welche Verneinungen und | ||||||
37 | Mängel enthalten, sein müssen. | ||||||
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