Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 078 |
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01 | der Möglichkeit nennen, weil die Vergleichung der Prädicate mit ihren | ||||||
02 | Subjecten nach der Regel der Wahrheit nichts anders als eine logische | ||||||
03 | Beziehung ist, das Etwas oder was in dieser Übereinstimmung steht, wird | ||||||
04 | bisweilen das Reale der Möglichkeit heißen. Übrigens bemerke ich, daß | ||||||
05 | hier jederzeit von keiner andern Möglichkeit oder Unmöglichkeit, als der | ||||||
06 | innern oder schlechterdings und absolute so genannten die Rede sein wird. | ||||||
07 | 2. |
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08 | Die innere Möglichkeit aller Dinge setzt irgend ein |
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09 | Dasein voraus. |
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10 | Es ist aus dem anjetzt Angeführten deutlich zu ersehen, daß die Möglichkeit | ||||||
11 | wegfalle, nicht allein, wenn ein innerer Widerspruch als das Logische | ||||||
12 | der Unmöglichkeit anzutreffen, sondern auch wenn kein Materiale, kein | ||||||
13 | Datum zu denken da ist. Denn alsdann ist nichts Denkliches gegeben, | ||||||
14 | alles Mögliche aber ist etwas, was gedacht werden kann, und dem die | ||||||
15 | logische Beziehung gemäß dem Satze des Widerspruchs zukommt. | ||||||
16 | Wenn nun alles Dasein aufgehoben wird, so ist nichts schlechthin gesetzt, | ||||||
17 | es ist überhaupt gar nichts gegeben, kein Materiale zu irgend etwas | ||||||
18 | Denklichem, und alle Möglichkeit fällt gänzlich weg. Es ist zwar kein | ||||||
19 | innerer Widerspruch in der Verneinung aller Existenz. Denn da hiezu | ||||||
20 | erfordert würde, daß etwas gesetzt und zugleich aufgehoben werden müßte, | ||||||
21 | hier aber überall nichts gesetzt ist, so kann man freilich nicht sagen, daß | ||||||
22 | diese Aufhebung einen innern Widerspruch enthalte. Allein daß irgend | ||||||
23 | eine Möglichkeit sei und doch gar nichts Wirkliches, das widerspricht sich, | ||||||
24 | weil, wenn nichts existirt, auch nichts gegeben ist, das da denklich wäre, | ||||||
25 | und man sich selbst widerstreitet, wenn man gleichwohl will, daß etwas | ||||||
26 | möglich sei. Wir haben in der Zergliederung des Begriffs vom Dasein | ||||||
27 | verstanden, daß das Sein oder schlechthin Gesetzt sein, wenn man diese | ||||||
28 | Worte dazu nicht braucht, logische Beziehungen der Prädicate zu Subjecten | ||||||
29 | auszudrücken, ganz genau einerlei mit dem Dasein bedeute. Demnach zu | ||||||
30 | sagen: es existirt nichts, heißt eben so viel, als: es ist ganz und gar nichts; | ||||||
31 | und es widerspricht sich offenbar, dessen ungeachtet hinzuzufügen, es sei | ||||||
32 | etwas möglich. | ||||||
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