Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 073 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | dieses Satzes von dem Dasein einer solchen Sache darzuthun, nicht in dem | ||||||
| 02 | Begriffe des Subjects sucht, denn da findet man nur Prädicate der Möglichkeit, | ||||||
| 03 | sondern in dem Ursprunge der Erkenntniß, die ich davon habe. Ich | ||||||
| 04 | habe, sagt man, es gesehen, oder von denen vernommen, die es gesehen haben. | ||||||
| 05 | Es ist daher kein völlig richtiger Ausdruck zu sagen: Ein Seeeinhorn ist ein | ||||||
| 06 | existirend Thier, sondern umgekehrt: einem gewissen existirenden Seethiere | ||||||
| 07 | kommen die Prädicate zu, die ich an einem Einhorn zusammen gedenke. Nicht: | ||||||
| 08 | regelmäßige Sechsecke existiren in der Natur, sondern: gewissen Dingen in | ||||||
| 09 | der Natur, wie den Bienenzellen oder den Bergkrystall, kommen die Prädicate | ||||||
| 10 | zu, die in einem Sechsecke beisammen gedacht werden. Eine jede menschliche | ||||||
| 11 | Sprache hat von den Zufälligkeiten ihres Ursprungs einige nicht zu ändernde | ||||||
| 12 | Unrichtigkeiten, und es würde grüblerisch und unnütz sein, wo in dem gewöhnlichen | ||||||
| 13 | Gebrauche gar keine Mißdeutungen daraus erfolgen können, | ||||||
| 14 | an ihr zu künsteln und einzuschränken, genug daß in den seltnern Fällen | ||||||
| 15 | einer höher gesteigerten Betrachtung, wo es nöthig ist, diese Unterscheidungen | ||||||
| 16 | beigefügt werden. Man wird von dem hier Angeführten nur | ||||||
| 17 | allererst zureichend urtheilen können, wenn man das folgende wird gelesen | ||||||
| 18 | haben. | ||||||
| 19 | 2. |
||||||
| 20 | Das Dasein ist die absolute Position eines Dinges und unterscheidet |
||||||
| 21 | sich dadurch auch von jeglichem Prädicate, welches als |
||||||
| 22 | ein solches jederzeit blos beziehungsweise auf ein ander Ding |
||||||
| 23 | gesetzt wird. |
||||||
| 24 | Der Begriff der Position oder Setzung ist völlig einfach und mit dem | ||||||
| 25 | vom Sein überhaupt einerlei. Nun kann etwas als blos beziehungsweise | ||||||
| 26 | gesetzt, oder besser blos die Beziehung ( respectus logicus ) von etwas als | ||||||
| 27 | einem Merkmal zu einem Dinge gedacht werden, und dann ist das Sein, | ||||||
| 28 | das ist die Position dieser Beziehung, nichts als der Verbindungsbegriff | ||||||
| 29 | in einem Urtheile. Wird nicht blos diese Beziehung, sondern die Sache an | ||||||
| 30 | und für sich selbst gesetzt betrachtet, so ist dieses Sein so viel als Dasein. | ||||||
| 31 | So einfach ist dieser Begriff, daß man nichts zu seiner Auswickelung | ||||||
| 32 | sagen kann, als nur die Behutsamkeit anzumerken, daß er nicht mit den | ||||||
| 33 | Verhältnissen, die die Dinge zu ihren Merkmalen haben, verwechselt werde. | ||||||
| 34 | Wenn man einsieht, daß unsere gesammte Erkenntniß sich doch zuletzt | ||||||
| 35 | in unauflöslichen Begriffen endige, so begreift man auch, daß es einige | ||||||
| 36 | geben werde, die beinahe unauflöslich sind, das ist, wo die Merkmale nur | ||||||
| [ Seite 072 ] [ Seite 074 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||