Kant: AA II, Gedanken bei dem ... , Seite 040

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Menge der Übel, die ihn umgeben, und die ihn gleichwohl unwidersetzlich      
  02 zu einem weit schmerzhaftern Gefühl endlich zurück führen. Ob ihn gleich      
  03 unter allen Übeln vor dem Tode am meisten grauet, so scheint er doch auf      
  04 das Beispiel desselben bei seinen Mitbürgern sehr wenig Acht zu haben,      
  05 außer wenn nähere Verbindungen seine Aufmerksamkeit vorzüglich erwecken.      
  06 Zu einer Zeit, da ein wüthender Krieg die Riegel des schwarzen      
  07 Abgrundes eröffnet, um alle Trübsale über das menschliche Geschlecht hervorbrechen      
  08 zu lassen, da sieht man wohl, wie der gewohnte Anblick der      
  09 Noth und des Todes denen, die selbst mit beiden bedroht werden, eine      
  10 kaltsinnige Gleichgültigkeit einflößt, daß sie auf das Schicksal ihrer Brüder      
  11 wenig acht haben. Allein wenn in der ruhigen Stille des bürgerlichen      
  12 Lebens aus dem Cirkel derer, die uns entweder nahe angehen oder die      
  13 wir lieben, die so viel oder mehr versprechende Hoffnungen hatten als wir,      
  14 die mit eben dem Eifer ihren Absichten und Entwürfen nachhingen, als      
  15 wir thun, wenn diese, sage ich, nach dem Rathschlusse dessen, der allmächtig      
  16 über alles gebietet, mitten in dem Laufe ihrer Bestrebungen ergriffen      
  17 werden, wenn der Tod in feierlicher Stille sich dem Siechbette des Kranken      
  18 nähert, wenn dieser Riese, vor dem die Natur schaudert, mit langsamem      
  19 Tritt herankommt, um ihn in eisernen Armen einzuschließen, alsdann      
  20 erwacht wohl das Gefühl derer, die es sonst in Zerstreuungen ersticken.      
  21 Ein schwermüthiges Gefühl spricht aus dem Inwendigen des Herzens      
  22 dasjenige, was in einer Versammlung der Römer einsmals mit so      
  23 viel Beifall gehört wurde, weil es unserer allgemeinen Empfindung so gemäß      
  24 ist: Ich bin ein Mensch, und was Menschen widerfährt,      
  25 kann auch mich treffen. Der Freund oder auch der Verwandte spricht      
  26 zu sich selbst: Ich befinde mich im Getümmel von Geschäften und im Gedränge      
  27 von Lebenspflichten, und mein Freund befand sich vor kurzem auch      
  28 in denselben, ich genieße meines Lebens ruhig und unbekümmert, aber wer      
  29 weiß, wie lange? Ich vergnüge mich mit meinen Freunden und suche      
           
  30 ihn unter denselben,      
  31 Ihn aber hält am ernsten Orte,      
  32 Der nichts zurücke läßt,      
  33 Die Ewigkeit mit starken Armen fest.      
  34 Haller.      
           
  35 Zu diesen ernsthaften Gedanken erhebt mich, gnädige Frau, das      
  36 frühzeitige Absterben Dero würdigen Herrn Sohnes, welches sie anjetzt      
  37 so billig beweinen. Ich empfinde als einer seiner ehmaligen Lehrer      
           
     

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