Kant: AA I, M. Immanuel Kants Fortgesetzte ... , Seite 470 |
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| 01 | Westphalen, dem Hannöverschen und Magdeburgischen berichtet worden, | ||||||
| 02 | mehr einer leichten Schaukelung eines durch unterirdische heftige Stürme | ||||||
| 03 | bewegten Erdreichs zu vergleichen, als den Stößen einer entbrannten Materie. | ||||||
| 04 | Nur die obersten Etagen in den Gebäuden fühlten die Schwankung, | ||||||
| 05 | unten auf der Erde ward sie kaum bemerkt. Schon den 13ten und 14ten | ||||||
| 06 | vorher wurden in den Niederlanden und den benachbarten Orten Erschütterungen | ||||||
| 07 | gefühlt, und in diesen Tagen, vornehmlich vom 16ten auf den | ||||||
| 08 | 18ten, wütheten weit und breit in Deutschland, Polen, England Orkane, | ||||||
| 09 | es zeigten sich Blitze und Ungewitter, kurz der Luftkreis war in eine Art | ||||||
| 10 | von Gährung gebracht, welches zur Bestätigung dessen dienen kann, was | ||||||
| 11 | wir schon bei anderer Gelegenheit angemerkt haben, nämlich daß die Erdbeben | ||||||
| 12 | oder die unterirdische Entzündungen, die ihre Ursache sind, unsere | ||||||
| 13 | Atmosphäre verändern, indem sie fremde Dünste in dieselbe ausstoßen. | ||||||
| 14 | Hin und wieder sind einige Einsinkungen des Erdreichs geschehen. | ||||||
| 15 | Es haben sich Felsenstücke von den Gebirgen abgerissen und sind mit | ||||||
| 16 | fürchterlicher Gewalt in die Thäler gerollt. Diese Begebenheiten tragen | ||||||
| 17 | sich öfters auch ohne vorgegangene Erdbeben zu. Anhaltende Regen | ||||||
| 18 | machen, daß die Qülladern, von Wasser angefüllt, öfters die Grundlage | ||||||
| 19 | eines Stück Landes unterwaschen, indem sie das Erdreich hinwegspülen | ||||||
| 20 | und eben so Felsenstücke, vornehmlich wenn Frost und Nässe ihre Wirkungen | ||||||
| 21 | vereinigen, von den Gipfeln der Berge abreißen. Die große Klüfte | ||||||
| 22 | und Erdspalten, die sich hin und wieder in der Schweiz und anderwärts | ||||||
| 23 | geöffnet und wieder größtentheils geschlossen haben, sind deutlichere Beweisthümer | ||||||
| 24 | einer ausdehnenden unterirdischen Gewalt, wodurch die | ||||||
| 25 | Schichten von etwas geringerer Dichtigkeit zerborsten sind. Wenn wir | ||||||
| 26 | diese Zerbrechlichkeit unseres Fußbodens, den Vorrath der unterirdischen | ||||||
| 27 | Gluth, die vielleicht allenthalben die entzündbare Materien, die Steinkohlenlagen, | ||||||
| 28 | die Harze und Schwefel in einem stets lodernden Feuer unterhalten | ||||||
| 29 | mögen (so wie Steinkohlen=Bergwerke öfters, wenn sie sich von | ||||||
| 30 | selbst an der Luft entzündet haben, Jahrhunderte hindurch glühen und | ||||||
| 31 | um sich greifen), wenn wir, sage ich, diese Verfassung der unterirdischen | ||||||
| 32 | Höhlen betrachten, scheint nicht bei derselben ein Wink genug zu sein, um | ||||||
| 33 | unsere Wölbungen in ganze Meere von glühendem Schwefel zu versenken | ||||||
| 34 | und unsere bewohnte Plätze mit Strömen von brennenden Materien zu | ||||||
| 35 | verwüsten, so wie die ausgegossene Lava die Flecken verheerte, die neben | ||||||
| 36 | dem Fuße des Ätna in einer unbekümmerten Ruhe angebaüt waren? | ||||||
| 37 | Der Herr D. Poll hat Recht, daß er in einer kurzen Abhandlung vom | ||||||
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