Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 453 |
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| 01 | Übereinstimmung veranlassen, und auf welche kann man füglicher die Vermuthung | ||||||
| 02 | werfen, als auf die Regen, die in Peru in dem langen Thale | ||||||
| 03 | zwischen den cordillerischen Gebirgen vom September bis in den April | ||||||
| 04 | dauren, und die auch um die Herbstzeit bei uns am häufigsten sind? Wir | ||||||
| 05 | wissen, daß, um einen unterirdischen Brand zu veranlassen, nichts nöthig | ||||||
| 06 | sei als die mineralische Materien in den Höhlen der Erde in Gährung zu | ||||||
| 07 | bringen. Dieses thut aber das Wasser, wenn es sich durch die Klüfte der | ||||||
| 08 | Berge hindurch geseigert hat und in den tiefen Gängen sich verläuft. Die | ||||||
| 09 | Regen haben die Gährung zürst gereizt, die in der Mitte des Octobers | ||||||
| 10 | so viel fremde Dämpfe aus dem Inwendigen der Erde herausstieß. Allein | ||||||
| 11 | eben diese lockten dem Luftkreise noch mehr nasse Einflüsse ab, und das | ||||||
| 12 | Wasser, das durch die Felsenritzen bis in die tiefsten Grüfte hineindrang, | ||||||
| 13 | vollendete die angefangene Erhitzung. | ||||||
| 14 | Von dem Einfluß der Erdbeben in den Luftkreis. |
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| 15 | Wir haben oben ein Beispiel von Wirkungen gesehen, die die Erderschütterungen | ||||||
| 16 | auf unsere Luft haben. Es ist zu glauben, daß von den | ||||||
| 17 | Ausbrüchen der unterirdischen erhitzten Dämpfe mehr Naturerscheinungen | ||||||
| 18 | abhängen, als man sich wohl gemeiniglich einbildet. Es wäre kaum möglich, | ||||||
| 19 | daß in den Witterungen eine solche Unregelmäßigkeit und so wenig | ||||||
| 20 | Übereinstimmendes anzutreffen wäre, wenn nicht fremde Ursachen bisweilen | ||||||
| 21 | in unsere Atmosphäre träten und ihre richtige Veränderungen in | ||||||
| 22 | Unordnung brächten. Kann man sich wohl einen wahrscheinlichen Grund | ||||||
| 23 | gedenken, warum, da der Lauf der Sonne und des Mondes an seine immer | ||||||
| 24 | sich selbst ähnliche Gesetze gebunden ist, da Wasser und Erde, wenn man | ||||||
| 25 | es im Großen nimmt, immer überein bleiben, doch der Ablauf der Witterungen | ||||||
| 26 | auch selbst in einem Auszug vieler Jahre fast immer anders ausfällt? | ||||||
| 27 | Wir haben seit der unglücklichen Erschütterung und kurz vor derselben | ||||||
| 28 | eine so abweichende Witterung durch unsern ganzen Welttheil gehabt, | ||||||
| 29 | daß man entschuldigt werden kann, wenn man desfalls einige Vermuthung | ||||||
| 30 | auf die Erdbeben wirft. Es ist wahr, man hat wohl ehedem | ||||||
| 31 | warme Winterwitterung gehabt, ohne daß einiges Erdbeben vorhergegangen; | ||||||
| 32 | aber ist man denn sicher, daß nicht eine Gährung in dem Innern | ||||||
| 33 | der Erde sehr oft dämpfe durch die Felsenklüfte, die Spalten der Erdschichten | ||||||
| 34 | und selbst durch derselben lockere Substanz hindurch getrieben | ||||||
| 35 | habe, die da namhafte Veränderungen im Luftkreise nach sich haben ziehen | ||||||
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