Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 289

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 in ihrer Achsendrehung mehr auf allen Seiten leisten können. Einige      
  02 hervorragende Theile von beträchtlicher Masse, welche auf der entgegengesetzten      
  03 Seite keine andere fanden, die ihnen die Gegenwirkung      
  04 des Schwunges leisten konnten, mußten alsbald die Achse der Umdrehung      
  05 verrücken und sie in solchen Stand zu setzen suchen, um      
  06 welchen die Materien sich im Gleichgewichte aufhielten. Eben dieselbe      
  07 Ursache also, die bei der völligen Ausbildung eines Himmelskörpers      
  08 seine Oberfläche aus dem wagerechten Zustande in abgebrochene Ungleichheiten      
  09 versetzte, diese allgemeine Ursache, die bei allen Himmelskörpern,      
  10 welche das Fernglas deutlich genug entdecken kann, wahrgenommen      
  11 wird, hat sie in die Nothwendigkeit versetzt, die ursprüngliche      
  12 Stellung ihrer Achse etwas zu verändern. Allein diese Veränderung      
  13 hat ihre Grenzen, um nicht gar zu weit auszuschweifen. Die Ungleichheiten      
  14 erzeugen sich, wie schon erwähnt, mehr neben dem Äquator      
  15 einer umdrehenden Himmelskugel, als weit von demselben; zu den      
  16 Polen hin verlieren sie sich fast gar, wovon die Ursachen anzuführen,      
  17 ich andere Gelegenheit vorbehalte. Daher werden die am meisten über      
  18 die gleiche Fläche hervorragende Massen nahe bei dem Äquinoctialzirkel      
  19 anzutreffen sein, und indem dieselbe durch den Vorzug des      
  20 Schwunges diesem sich zu nähern streben, werden sie höchstens nur um      
  21 einige Grade die Achse des Himmelskörpers aus der senkrechten Stellung      
  22 von der Fläche seiner Bahn erheben können. Diesem zu Folge wird      
  23 ein Himmelskörper, der sich noch nicht völlig ausgebildet hat, diese      
  24 rechtwinklichte Lage der Achse zu seinem Laufkreise noch an sich haben,      
  25 die er vielleicht nur in der Folge langer Jahrhunderte ändern wird.      
  26 Jupiter scheint noch in diesem Zustande zu sein. Der Vorzug seiner      
  27 Masse und Größe, die Leichtigkeit seines Stoffes haben ihn genöthigt, den      
  28 festen Ruhestand seiner Materien einige Jahrhunderte später als andere      
  29 Himmelskörper zu überkommen. Vielleicht ist das Innere seines Klumpens      
  30 noch in der Bewegung, die Theile seines Zusammensatzes zu dem      
  31 Mittelpunkte nach Beschaffenheit ihrer Schwere zu senken und durch die      
  32 Scheidung der dünnern Gattungen von den schweren den Stand der      
  33 Festigkeit zu überkommen. Bei solcher Bewandtniß kann es auf seiner      
  34 Oberfläche noch nicht ruhig aussehen. Die Umstürzungen und Ruine      
  35 herrschen auf derselben. Selbst das Fernglas hat uns davon versichert.      
  36 Die Gestalt dieses Planeten ändert sich beständig, da indessen der Mond,      
  37 die Venus, die Erde dieselbe unverändert erhalten. Man kann auch      
           
     

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