Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 288

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 vielleicht der Ungleichheit in den Bewegungen des Stoffes beimessen,      
  02 die den Planeten zu bilden zusammen gekommen sind. In der Richtung      
  03 der Fläche seines Laufkreises war die vornehmste Bewegung der      
  04 Partikeln um den Mittelpunkt desselben, und daselbst war der Plan      
  05 der Beziehung, um welchen die elementarische Theilchen sich häuften,      
  06 um daselbst die Bewegung wo möglich zirkelgleich zu machen und zur      
  07 Bildung der Nebenplaneten Materie zu häufen, welche um deswillen      
  08 niemals von der Umlaufsbahn weit abweichen. Wenn der Planet sich      
  09 größtentheils nur aus diesen Theilchen bildete, so würde seine Achsendrehung      
  10 so wenig, wie die Nebenplaneten, die um ihn laufen, bei      
  11 seiner ersten Bildung davon abgewichen sein; aber er bildete sich, wie      
  12 die Theorie es dargethan hat, mehr aus den Partikeln, die auf beiden      
  13 Seiten niedersanken, und deren Menge oder Geschwindigkeit nicht so      
  14 völlig abgewogen gewesen zu sein scheint, daß die eine Halbkugel nicht      
  15 eine kleine Überwucht der Bewegung über die andere und daher einige      
  16 Abweichung der Achse hätte bekommen können.      
           
  17 Dieser Gründe ungeachtet trage ich diese Erklärung nur als eine      
  18 Muthmaßung vor, die ich mir nicht auszumachen getraue. Meine      
  19 wahre Meinung geht dahin: daß die Umdrehung der Planeten um      
  20 die Achse in dem ursprünglichen Zustande der ersten Bildung mit der      
  21 Fläche ihrer jährlichen Bahn ziemlich genau übereingetroffen habe, und      
  22 daß Ursachen vorhanden gewesen, diese Achse aus ihrer ersten Stellung      
  23 zu verschieben. Ein Himmelskörper, welcher aus seinem ersten flüssigen      
  24 Zustande in den Stand der Festigkeit übergeht, erleidet, wenn er sich      
  25 auf solche Art völlig ausbildet, eine große Veränderung in der Regelmäßigkeit      
  26 seiner Oberfläche. Dieselbe wird feste und gehärtet, indessen      
  27 daß die tiefern Materien sich noch nicht nach Maßgebung ihrer specifischen      
  28 Schwere genugsam gesenkt haben; die leichteren Sorten, die      
  29 mit in ihrem Klumpen untermengt waren, begeben sich endlich, nachdem      
  30 sie sich von den andern geschieden, unter die oberste fest gewordene      
  31 Rinde und erzeugen die großen Höhlen, deren aus Ursachen, welche      
  32 allhier anzuführen zu weitläuftig ist, die größte und weiteste unter oder      
  33 nahe zu dem Äquator befindlich sind, in welche die gedachte Rinde      
  34 endlich hineinsinkt, mannigfaltige Ungleichheiten, Berge und Höhlen,      
  35 erzeugt. Wenn nun auf solche Art, wie es mit der Erde, dem Monde,      
  36 der Venus augenscheinlich vorgegangen sein muß, die Oberfläche uneben      
  37 geworden, so hat sie nicht das Gleichgewicht des Umschwunges      
           
     

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