Kant: Briefwechsel, Brief 311, Von der Deutschen Union der Zwei und Zwanziger. |
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Von der Deutschen Union der Zwei und Zwanziger. | |||||||
[Mitte December 1787.] | |||||||
An die Freunde | |||||||
Vernunft, der Wahrheit, und der Tugend. | |||||||
Wie? Sollten denn nur die Begünstiger der Schwärmerei und | |||||||
des Aberglaubens für die Erhaltung und Ausbreitung ihres Irthums | |||||||
Wärme und Betriebsamkeit haben? Sollten Wahrheit und Aufklärung | |||||||
des Geistes nie fähig seyn, menschliche Herzen zu erwärmen? Sollten | |||||||
die Weisen allein kalte Menschen seyn, die sich begnügen, ein Kleinod | |||||||
zu besitzen, ohne von dem Wunsche zu glühen, die Menschheit durch | |||||||
Mittheilung desselben zu beglükken, und es dadurch sich selbst genießbar | |||||||
zu machen? Was wäre diß für eine traurige Erscheinung? | |||||||
Nein, Männer der Nation! Diese Schande treffe nie Euch | |||||||
und die Wahrheit! | |||||||
In der politischen Welt ist ja überall Wirkung und Gegenwirkung, | |||||||
und - in allen Kabinettern ist Gleichgewicht der erste Gegenstand | |||||||
der Geschäfte und das Ziel aller Operationen! so - müsse es | |||||||
auch in der moralischen Welt seyn! | |||||||
Wenn der große Haufe unserer Antipoden mit vereinigten Kräften | |||||||
gemeinschaftlich für die Unterjochung der Vernunft und Verhinderung | |||||||
der Aufklärung wirkt, so wäre es scheusliche Trägheit und Kälte, wenn | |||||||
unter uns nicht endlich auch eine Verbindung statt finden sollte, welche | |||||||
fähig wäre, eine Gegenwirkung hervorzubringen und - wo nicht Sieg, | |||||||
doch wenigstens Gleichgewicht zu erringen - damit die Menschheit | |||||||
nicht von neuem zur Barbarei herabsinke und, durch Uebermacht des | |||||||
Glaubenszwanges, die Vernunft mit der Tugend unterjocht werde. | |||||||
Vernehmet demnach, Freunde des Guten! wie eine solche Verbindung | |||||||
möglich werden kan, sobald ihr wollt, d. h. sobald ihr das Gute | |||||||
allein wollet und - dem Eigenwillen, der Neugier, und der Selbstsucht | |||||||
mit Entschlossenheit entsagt, und euch an der Freude, zur Beförderung | |||||||
des Wols der Menschheit im Stillen mitzuwirken, begnüget. | |||||||
Eine Geselschaft von 22, theils Staatsmännern, theils öffentlichen | |||||||
Lehrern, theils Privatpersonen, hat sich bereits über einen seit anderthalb | |||||||
Iahren in Vorschlag gebrachten Plan vereinigt, welcher ihrem Bedünken | |||||||
nach ein untrügliches und durch keine menschliche Macht zu hinderndes | |||||||
Mittel enthält, die Aufklärung und Bildung der Menschheit zu befördern, | |||||||
und alle bisherigen Hindernisse derselben nach und nach zu zerstören | |||||||
über einen Plan, der außer diesem wichtigen Guten noch ein besonders | |||||||
wohlthätiges Institut zu Stande bringt, wodurch jedem verdienstvollen | |||||||
Manne die angenehmste und ruhigste Lage verschaft werden kan. | |||||||
Wer nun für das Beste der Menschheit sich erwärmt fühlt und | |||||||
diesen Plan zu kennen und, wenn er ihn gut findet, an dessen Ausführung | |||||||
nahen oder fernen Antheil zu nehmen wünscht, hat nichts weiter | |||||||
nöthig, als in einem Schreiben, (welches er an denjenigen abgiebt, | |||||||
durch den ihm diese gedrukte Nachricht zu handen komt,) der obgedachten | |||||||
Geselschaft seine Gesinnungen und Wünsche zu erklären, und | |||||||
dabei seinen Stand und Wohnsiz deutlich anzuzeigen. | |||||||
Niemand darf dabei besorgen, daß er zu irgend einer Verbindung, | |||||||
oder Geschäft, oder Geldbeitrag werde genöthiget werden. Die Geselschaft | |||||||
ist zufrieden, wenn sie jezt die Menschen - aus allen Ständen | |||||||
welche die Aufklärung lieben, kennen lernt, und überläßt es der freyen | |||||||
Wahl eines jeden, ob er nach geschehener Prüfung des Plans, ein | |||||||
bloßer Freund derselben, oder ihr Mitglied und Theilnehmer an ihren | |||||||
Geschäften werden will. | |||||||
Nur das einzige verlangt billigermaßen die Geselschaft von dem, | |||||||
der mit ihr in Korrespondenz treten will, daß er die Kosten trage, die | |||||||
er selbst ihr dadurch verursacht. Und da sie für diß große Unternehmen | |||||||
ein eignes aus 4 Personen bestehendes Sekretariat in ihrem | |||||||
Centro unterhalten muß, so wird jeder der sich schriftlich an sie wendet, | |||||||
und sie zu Mittheilung ihres Plans auffodert, theils für Schreibung | |||||||
und Expedirung der Briefe, die er nach und nach von ihr erhält, theils | |||||||
für die Kopialien dessen, was sie ihm zuschickt, wenigstens einen Thaler | |||||||
beilegen müssen, wenn die Geselschaft für das erste Iahr ihrer Wirksamkeit | |||||||
in Absicht auf Kosten schadlos gehalten werden soll. | |||||||
Daß übrigens die Geselschaft sich vor der Hand äuserlich verbirgt | |||||||
und die Namen ihrer Mitglieder nicht dem Publikum Preiß giebt, | |||||||
ist wohl jedem Weltklugen begreiflich, der es weiß, wie oft schon die | |||||||
litterarische Klatscherei und der schriftstellerische Muthwille gesezten | |||||||
Männern die Lust vergällt hat, öffentlich erschienen zu seyn. | |||||||
Und eben so leicht ist es einzusehen, daß sie den Ort und die | |||||||
wenigen Personen, welche das Centrum dieser Verbrüderung ausmachen, | |||||||
selbst ihren Mitgliedern, vor anfangs und so lange verbirgt, | |||||||
bis sie eines jeden persönliche Lage, Karakter und Gesinnungen gehörig | |||||||
erkannt und mit dem großen Zwecke, den sie sich vorgesezt, übereinstimmend | |||||||
gefunden hat. Denn wer mit kaltem Blute überlegt, wie | |||||||
wichtig es ist, daß auf der einen Seite die zu errichtende Verbrüderung | |||||||
Einheit bekomme, und daß sie auf der andern Seite auch für die entfernteste | |||||||
Möglichkeit einer auf ihre Zerstöhrung abzwekkende Kabale | |||||||
gesichert werde, wird diese Verborgenheit im allerhöchsten Grade unvermeidlich | |||||||
finden und durch diese Betrachtung über seine Neugier siegen | |||||||
können. | |||||||
Wer indessen von der Geselschaft den zu ihrer Wirksamkeit entworfenen | |||||||
Plan erhält, und, nach vollendeter Untersuchung und Prüfung | |||||||
desselben, sich entschließt Mitglied und Theilnehmer zu werden, | |||||||
der erlangt sogleich persönliche Bekantschaft mit einigen ihrer vornehmsten | |||||||
Glieder, bekomt Abschrift ihrer Tagebücher und Protokolle und | |||||||
wirkt und sieht wirken, wie alle wirklichen Glieder derselben. | |||||||
Gott belebe alle Freunde des Guten, daß keiner diese Gelegenheit | |||||||
zu einer so fruchtbaren Beförderung desselben, (wobei er so langsam | |||||||
und mit so freyer Wahl jeden Schritt, den er thun will, abmessen kan,) | |||||||
mit Kaltsinn vorüber gehen lassen möge. | |||||||
[Beilage] | |||||||
Verzeihen Sie, würdiger Mann, diesen nahmenlosen Brief der | |||||||
Vorsicht, welche bei wichtigen Unternehmungen erforderlich ist. Es | |||||||
hangt blos von Ihnen ab, ob Sie in kurzem diejenigen näher kennen | |||||||
lernen wollen, welche es veranstaltet haben, daß dieser Brief mit dieser | |||||||
Nachricht in Ihre Hände kam. Blos Ihre schriftliche Erklärung, da | |||||||
Sie die Aufklärung lieben, und ein durchgreifendes und zugleich den | |||||||
strengsten Gesezen der Moral angemessenes Mittel zu Verbreitung derselben | |||||||
zu kennen wünschen, wird für Sie hinreichend seyn, mit der Geselschaft | |||||||
und ihrem Plane nach und nach näher bekant zu werden. Und | |||||||
dann bleibt es ganz Ihrer Freiheit überlassen, ob Sie den Plan annehmen | |||||||
oder verwerfen, ob Sie mit uns in nähere Verbindung treten | |||||||
oder uns vergeßen wollen? Wenn Sie der Geselschaft die Ehre, die | |||||||
sie sich wünscht, erzeigen, so schicken Sie vor der Hand Ihren Brief | |||||||
(mit der Aufschrift an die Zweyundzwanzig) in einem besondern | |||||||
Umschlage an den | |||||||
Rektor Sangerhaußen in Aschersleben. | |||||||
Auf jedem Fall aber erbitten wir uns wenigstens dieß Merkmahl | |||||||
Ihres Wolwollens, daß Sie diese gedruckte Nachricht nicht weiter | |||||||
geben, und, wenn Sie von uns entfernt bleiben wollen, sie mit diesem | |||||||
Brief zugleich vernichten. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 508 ] [ Brief 310 ] [ Brief 312 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |