Kant: Briefwechsel, Brief 265, Von Stephan Wannowski.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Stephan Wannowski.      
           
  31. März 1786.      
           
  Ew. Wohlgeboren gütiges Billet an mich sehe ich mit dem schuldigsten      
  Dank für ein besonderes Zeichen Dero Wohlgewogenheit gegen      
  mich an, die mir so schätzbar ist. Ich kenne die Schwäche der beyden      
  von Ew. Wohlgeboren tentirten iungen Leute in Ansehung der Latinität      
  zu wohl, als daß ich solche zu beschönigen suchen sollte. Aber      
  da es mit ihnen schon so weit gekommen ist, daß wenn sie gänzlich      
  abgewiesen würden, ein Schimpf auf ihnen, und vielleicht auch auf der      
  Schule, aus der sie kommen, haften würde, so nehme ich das gütige      
  Anerbieten Ew. Wohlgeboren sie zur Akademie zuzulaßen mit desto      
  größerer Dankbarkeit an, weil solches mich aus einer großen Verlegenheit      
  reißen wird, in die ich sonst in Ansehung der Aeltern der      
  beyden iungen Leute kommen würde, denen ich die Dimission ihrer      
  Söhne auf Ostern habe versprechen müßen.      
           
  Dürfte ich wohl also Ew. Wohlgeboren die Beschwerde anmuthen,      
  diese iungen Leute noch einmahl zu tentiren. Ich habe ihnen aufgegeben      
  die zwey Plinianischen Briefe durchzulesen, die Ew. Wohlgeboren      
  hatten exponiren laßen. Vielleicht wird es nun beßer gehen, und Ew.      
  Wohlgeboren wenigstens in so fern zufriedener seyn, daß sie solche      
  wenn nicht unvorbereitet, doch wenigstens nach der Präparation zu      
  verstehen im Stande sind. Sie entschuldigten sich gegen mich mit      
  Schüchternheit, die sie befallen hätte, welche ich ihnen gänzlich auszureden      
  mir Mühe gegeben habe. Sie werden morgen nach zehn Uhr      
  die Ehre haben sich zu stellen. Auch noch eine Bitte, die sie an mich      
  thaten, erdreiste ich mich vor Ew. Wohlgeboren zu bringen. Eine      
  gerechte Beschämung, die sie schon erfahren haben, macht sie besorgt      
  noch einer größeren ausgesetzt zu werden, wenn sie etwa in Gegenwart      
  anderer iungen Leute sollten examinirt werden. Und daß dies nicht      
  geschehen möchte, ist meine ganz ergebenste Bitte. Beschämung ist      
  doch schon der Anfang zur Beßerung. Diese iungen Leute sind sonst      
           
  wohlgeartet, und beyde nicht ohne Fähigkeit das etwa noch versäumte      
  durch eigenen Fleiß und akademischen Unterricht nachzuhohlen.      
           
  Ew. Wohlgeborne verzeihen mir mein langes Schreiben, und      
  nehmen die Versicherung für gewiß an, daß ich in der Folge nie ein      
  Fürbitter für Unwißenheit weder bey Ew. Wohlgeboren, noch bey      
  irgend einem anderen akademischen Lehrer seyn werde; ich fühle das      
  unangenehme derselben schon für diesmahl zu sehr, da ich es gegen      
  einen Mann thue, in den ich eben so sehr mein Vertrauen setze, als ich      
  denselben mit aller der Hochachtung ehre, die ihm so gerechter Weise      
           
  gebührt      
           
    Ew. Wohlgeboren      
    ganz ergebenster Diener      
    Wannowski      
    den 31 März 86.      
           
           
           
     

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