Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 282

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 aller Anschauung a priori, welche man als Prinzip gar nicht kannte, die      
  02 vielmehr Leibnitz intellektuirte, d.i. in lauter verworrene Begriffe verwandelte,      
  03 doch die Ursache, das, was er nicht durch bloße Verstandesbegriffe      
  04 vorstellig machen konnte, für unmöglich zu halten, und so Grundsätze,      
  05 die selbst dem gesunden Verstande Gewalt anthun, und die keine      
  06 Haltbarkeit haben, aufzustellen. Folgendes enthält die Beyspiele von dem      
  07 Irrgange mit solchen Prinzipien.      
           
  08 1) Der Grundsatz der Identität des Nichtzuunterscheidenden (principium      
  09 identitatis indiscernibilium), daß, wenn wir uns von A      
  10 und B, die in Ansehung aller ihrer innern Bestimmungen (der Qualität      
  11 und Quantität) völlig einerley sind, einen Begriff als von zwey      
  12 Dingen machen, wir irren und sie für ein und dasselbe Ding (numero      
  13 eadem) anzunehmen haben. Daß wir sie doch durch die Örter im      
  14 Raume unterscheiden können, weil ganz ähnliche und gleiche Räume      
  15 außer einander vorgestellt werden können, ohne daß man darum      
  16 sagen dürfe, es sey ein und derselbe Raum, weil wir auf die Art den      
  17 ganzen unendlichen Raum in einen Kubikzoll und noch weniger      
  18 bringen könnten, konnte er nicht zugeben, denn er ließ nur eine      
  19 Unterscheidung durch Begriffe zu, und wollte keine von diesen specifisch      
  20 unterschiedene Vorstellungsart, nämlich Anschauung, und zwar      
  21 a priori, anerkennen, die er vielmehr in lauter Begriffe der Koexistenz      
  22 oder Succession auflösen zu müssen glaubte, und so verstieß er wider      
  23 den gesunden Verstand, der sich nie wird überreden lassen, daß, wenn      
  24 ein Tropfen Wasser an einem Orte ist, dieser einen ganz ähnlichen      
  25 und gleichen Tropfen an einem anderen Orte zu seyn hindere.      
           
  26 2) Sein Satz des zureichenden Grundes, da er dem letztern keine Anschauung      
  27 a priori unterlegen zu dürfen glaubte, sondern die Vorstellung      
  28 desselben auf bloße Begriffe a priori zurückführte, brachte      
  29 die Folgerung hervor, daß alle Dinge, metaphysisch betrachtet, aus      
  30 Realität und Negation, aus dem Seyn und dem Nichtseyn, wie bey      
  31 dem Demokrit alle Dinge im Weltraume aus den Atomen und dem      
  32 Leeren, zusammengesetzt wären, und der Grund einer Negation      
  33 kein anderer seyn könne, als daß kein Grund, wodurch etwas gesetzt      
  34 wird, nämlich keine Realität da ist, und so brachte er aus allem      
  35 sogenannten metaphysischen Bösen, in Vereinigung mit dem Guten      
  36 dieser Art, eine Welt aus lauter Licht und Schatten hervor, ohne in      
  37 Betrachtung zu ziehen, daß, um einen Raum in Schatten zu stellen,      
  38 ein Körper da seyn müsse, also etwas Reales, was dem Licht widersteht,      
  39 in den Raum einzudringen. Nach ihm würde der Schmerz      
           
           
           
     

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