Kant: AA XIX, Erläuterungen zu G. Achenwalls Iuris ... , Seite 594 |
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01 | kein Unrecht; er verliert auch alle Ansprüche, wenn er vertrieben worden, | ||||||
02 | aber das Volk hat das recht nicht, ihn zu vertreiben. Ein ieder beyder | ||||||
03 | Theile thut in solchen fällen Unrecht, obgleich er dem Andern kein Unrecht | ||||||
04 | thut. | ||||||
8051. ψ1--2? χ?? J 188. 189. |
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06 | 188: Es ist alles* erlaubt, wo wieder kein äußerliches Gesetz da | ||||||
07 | ist, und es ist kein äußeres Gesetz, ohne daß ein competenter Richter | ||||||
08 | constituirt sey, welcher darnach richte und eine Gewalt, jederman demselben | ||||||
09 | Gemäs zu zwingen. Nun kan über den souverain keine richterliche Gewalt | ||||||
10 | und kein rechtmäßiger Zwang seyn, weil sonst nicht er sondern diese Macht | ||||||
11 | souverain seyn würde. Also kann kein äußerlich coram foro humano | ||||||
12 | gültiges Gesetz, welches den souverain einschränkt, gefunden werden. | ||||||
13 | Das Volk hat kein Recht, als worin auch ein äußeres Gesetz da ist, | ||||||
14 | und geheime Rechte, die sich nicht in äußeren Gesetzen declariren lassen, | ||||||
15 | sind usurpationen. Gewalt also gegen den souverain ist jederzeit den | ||||||
16 | Grundsätzen aller civilverfassung zu wieder. Aber alle Unterthanen können | ||||||
17 | doch verbunden seyn werden, den Gesetzen, die die Macht des Monarchen | ||||||
18 | einschränken, zu gehorchen, und es kann ein Gericht seyn, welches ihre | ||||||
19 | Handlungen, die sie auf Befehl des souverains 189: thun, beurtheilt und | ||||||
20 | richtet. Auf solche Weise kann ihm aller Gehorsam entzogen werden. Es | ||||||
21 | frägt sich aber, ob er denn nicht aufhöre Oberhaupt zu seyn. Ia aber er | ||||||
22 | kehrt in den statum naturalem, weil aber der Staat doch ein Oberhaupt | ||||||
23 | nöthig hat, so wird dieser nöthigen, entweder als Unterthan zu leben oder | ||||||
24 | das Land zu meiden. | ||||||
25 | 189: * (s Wo das Volk solche Rechte nicht hat, da ist es unerlaubt, | ||||||
26 | gegen den Monarchen Gewalt zu brauchen. Denn setzet, es stütze sich | ||||||
27 | auf sein Naturrecht, so muß dieses doch auch ein civilgesetz haben werden | ||||||
28 | können, ia werden sollen, weil die bürgerliche constitution alle Rechte | ||||||
29 | des Volks und des souverains bestimmen enthalten muß. Das Volk | ||||||
30 | hat also sein Recht aufgegeben und vernachläßigt und hat kein Recht. | ||||||
31 | Weil aber doch die Gewalt das Volk außer Stande setzen konte, dieses | ||||||
32 | zu thun, so scheint es, als habe es auch ein Recht zur Gewalt. Aber | ||||||
33 | Gewalt, vor welche kein rechtskräftig Urtheil vorher geht, ist unrechtmäßig, | ||||||
34 | folglich kann es sich nicht wiedersetzen außer in denen fällen, | ||||||
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