Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 602

     
           
 

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  01 muß gewissenhaft seyn, und zum Gewissen gehört freyheit. Man      
  02 kan nicht sagen, daß der, so welcher so gar eine wahre Religion zwangsmäßig      
  03 annimmt, gewissenhaft verfänhrt; denn er muß wissen und selbst      
  04 einsehen, daß etwas seine Pflicht sey, und kan sich nicht auf anderer      
  05 Versicherung verlassen. Was er hierin nach moralischen Vernunftgesetzen      
  06 thut: die Bemühung, sich in rechtschaffenheit fest zu setzen etc. etc., das kan      
  04 ihm allein zum Guten angerechnet werden; das übrige ist verlohren werk      
  08 und noch oben ein gewagt, mithin unlauter und bloße Gunstbewerbung.      
  09 Pfaffenthum ist allenthalben einerley: Catholicism und Protestantism sind      
  10 wesentlich unterschieden. So giebt es erzcatholische protestanten und wohl      
  11 auch protestantische Catholiken. Wenn man den Gringsten einmal annimmt,      
  12 daß unter dem, was wir thun können, Gott zu gefallen, etwas      
  13 mehr sey als der gute Lebenswandel, so sind keine Grenzen.      
           
  14 Wenn in einem Stück der Character des Volks verderbt wird, so erstrekt      
  15 sich das auch auf mehrere. Gewisse observanzen scheinen noch zur      
  16 Religions übung no -Bildung nöthig zu seyn, und in dieser muß ein nicht      
  17 leicht abzuandernder Mechanism seyn; aber daß er mit demjenigen was sie      
  18 müßen so beschaffen seyn, daß, wenn sie auch unnothig oder auf falsche      
  19 Geschichten oder vorgebliche offenbarung gegründet wären, sie doch wenigstens      
  20 sittlich gleichgültig wäre sind. Aber Glaubensbekentnisse von      
  21 ihrer Wahrheit sind den eine Last für das gewissen. Was ich blos      
  22 Glaube, brauche kan ich nicht zu (g als wahr ) beschwören, und als von      
  23 mir geglaubt zu beschwören, ist zwar für das jetzt eine Gewahrleistung,      
  24 aber ich kan nicht schwören, daß ich es immer glauben werde, wei folglich      
  25 mich nicht dazu anheischig machen, und ein Landesherr, der seinen Dienern      
     

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