Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 508 |
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01 | berichtigen; aber sein werth kan nicht so hoch angeschlagen werden, daß | |||||||||
02 | nicht der moralische ihm die vornehmste Bestimmung geben müßte. Selbst | |||||||||
03 | die Einheit dieses Wesens, wenn man ihm nicht zugleich einen heiligen | |||||||||
04 | Willen beylegt, kan keine sichere Religion abgeben. | |||||||||
05 | Die Denkungsart der einer sich von dem Erfahrungsgebrauche | |||||||||
06 | ganzlich abtrennenden Vernunft ist Phantasterey. (Grillenfängerey.) | |||||||||
07 | (g Chimäre. Träumerey. ) | |||||||||
08 | Dieser Satz ist nachträglich durch übergeschriebene Worte bzw. | |||||||||
09 | Buchstaben folgendermassen verändert, ohne dass die in den neuen Zusammenhang | |||||||||
10 | nicht mehr passenden Worte durchstrichen wären: | |||||||||
11 | Die Denkungsart einer den Grundsatzen des Erfahrungsgebrauchs | |||||||||
12 | wiederstreitenden Vernunft ist der Wahn. | |||||||||
13 | * Die Phantasterey ist: 1. Scharmerey, d.i. eine durch Phantasterey, | |||||||||
14 | die sich durch höhere Vernunft (g vermittelst der reinen Anschauung ) | |||||||||
15 | über die dem Erfahrungsgebrauche allein anhangende (darauf | |||||||||
16 | beschränkte) Vernunft zu erheben sucht. 2. Aberglaube: eine Phantasterey, | |||||||||
17 | die vermittelst der (g empirischen Anschauung ) Erfahrung (seine oder anderer | |||||||||
18 | ihre) sich über (den Erfahrungsgebrauch der) Vernunft erheben | |||||||||
19 | will. (g Zu dieser Erfahrung werden Erzählungen Wunderbarer Wirkungen | |||||||||
20 | (die allen Erfahrungsgesetzen wiederstreiten) gezählt oder wundersame | |||||||||
21 | durch Phantasie vereinigte Begebenheiten als Ursache und Wirkung. ) | |||||||||
22 | Jene ist Wahnwitz (g Tollheit ), diese ist Dummheit. Der erste ist | |||||||||
23 | zweyerley: entweder des Wahns der unmittelbaren Erleuchtung oder der | |||||||||
24 | überschwenglichen Speculation, z.B. der astralischen Naturgeister. Die | |||||||||
25 | Vermeintliche Verrückung. | |||||||||
26 | *(g Der transscendente Gebrauch der Vernunft ist der, so ohne | |||||||||
27 | alle moglichkeit Beziehung derselben auf mogliche Erfahrung zu urtheilen | |||||||||
28 | wagt. Diesem ist diametraliter die Verleugnung der Vernunft | |||||||||
29 | entgegengesetzt in dem, was gantz von der Erfahrung abweicht. Folglich | |||||||||
30 | Verläugnung des Erfahrungs- sowohl als transscendentalen Gebrauchs | |||||||||
31 | der Vernunft. ) | |||||||||
32 | Unglaube ist die Maxime, keinen andern Erfahrungsgebrauch der | |||||||||
33 | Vernunft (g mithin gar keinen Gebrauch der Vernunft ) einzuräumen als | |||||||||
34 | in Ansehung eines Gegenstandes der Erfahrung. Also muß er alles, was | |||||||||
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