Kant: AA XVII, Reflexionen zur Metaphysik. , Seite 236 |
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01 | so würde man in sich gehen, denn die Selbstliebe hat einen Abscheu vor | ||||||
02 | der vernichtung und ist lieber mit dem Zustande, wie er ihr beschieden seyn | ||||||
03 | mag, zufrieden als daß sie bricht ab mit der Seite. | ||||||
3705. α1. L Bl. D 33. S. I—IV. R I 299—302. |
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05 | S. I: | ||||||
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07 | Leibnitz hatte Recht, daß er sein Lehrgebäude eine Theodice oder | ||||||
08 | Vertheidigung der guten Sache Gottes nannte. Denn in der That ist es | ||||||
09 | nichts anderes als eine Rechtfertigung Gottes in der Zumuthung, das er | ||||||
10 | vielleicht der Urheber des Bösen seyn möge, durch die Versicherung, daß | ||||||
11 | soviel an ihm ist, alles gut ist und daß es wenigstens seyne Schuld nicht | ||||||
12 | sey, wenn alles nicht jedes Ding vollkommen so ausfallt, als es nach dem | ||||||
13 | Wunsche der redlichen ausfallen solte. | ||||||
14 | Die Fehler dieses Lehrbegriffs sind gar zu wichtig, als das man bey | ||||||
15 | demselben solte stehen bleiben konnen. Leibnitz stellet stellet die Regeln | ||||||
16 | der (g zum Zwecke habenden ) Vollkommenheit vor, wie sie einander in der | ||||||
17 | Ausübung streiten. Er sieht die Ausnahmen als nothwendige Mängel an | ||||||
18 | und erblikt die der hochsten Weisheit anstandige Handlung darin, daß sie | ||||||
19 | die Wahl auf die Seite des Besten trifft. so wie ein Seefahrer einen Theil | ||||||
20 | seiner Waren in die Schantze Schlagt, um das Schiff und das übrige zu | ||||||
21 | retten. Es ist war, die Weisheit und Güte Gottes siegt hier über alle | ||||||
22 | Vorwürfe. Allein was will man von der Unendlichkeit (g und ) der Unabhängigkeit | ||||||
23 | sagen. Von welchen Ursachen mögen doch die wesentliche | ||||||
24 | Bestimmungen der Dinge diejenige Zwietracht haben, die die vollkomenheit, | ||||||
25 | deren jede insonderheit das Wohlgefallen Gottes vermehren würde, | ||||||
26 | in einer Verbindung unverträglich macht. Was ist es vor ein seltsamer | ||||||
27 | unerforschlicher Streit zwischen dem allgemeinen Willen Gottes, der lediglich | ||||||
28 | auf das Gute abzielt, und der (g metaphysischen ) nothwendigkeit der | ||||||
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