Kant: AA XVII, Reflexionen zur Metaphysik. , Seite 235 |
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03 | Die vornehmste Regel der Vollkommenheit der Welt ist, daß sie so | ||||||
04 | im höchsten Grade vollständig sey, das alles dasey, was möglich ist und | ||||||
05 | daß weder in der Kette der Wesen noch in der Manigfaltigkeit ihrer Abänderung | ||||||
06 | etwas fehle, welches nur des Daseyns fahig ist; denn es ist vor | ||||||
07 | die Welt überhaupt kein größer Gebrechen, als das Nichts in irgend einem | ||||||
08 | ihrer Theile. Daher begreift das Offenbahrung Feld der Offenbahrung | ||||||
09 | der Gottlichen Macht alle Gattungen endlicher Dinge und durch mit einer | ||||||
10 | Art des Reichthums erstreckt sich es bis auf die Mängel und verlieret sich | ||||||
11 | nicht anders als durch alle Stufen der Verminderung von den höchsten | ||||||
12 | Graden der Vollkommenheit bis zum Nichts. | ||||||
13 | Laßet uns nach dieser Voraussetzung die Klagen derjenigen mit Verachtung | ||||||
14 | anhören, denen der Himmel ihrer Meinung nach kein gefälliges | ||||||
15 | Loos der Vollkommenheiten zugetheilet hat. Ich möchte, spricht einer, | ||||||
16 | gerne weniger über Finsterniß im Verstande und weniger Heftigkeit in | ||||||
17 | den Sinnlichen Neigungen haben, wenn ich doch so glücklich wäre, keine | ||||||
18 | Neigung zur Sünde zu haben andere Neigung als die vor die Tugend zu | ||||||
19 | haben. Wenn die meisten bedächten, daß, wenn sie sich solche Eigenschaften | ||||||
20 | wünschen, die eine veränderung ihrer Natur voraussetzen, es eben so viel | ||||||
21 | heißt, als begehren, daß sie gar nicht wären und daß an ihrer Stelle ein | ||||||
22 | ander Wesen von der verlangten Beschaffenheit vorhanden seyn möchte, | ||||||
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