Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 256 |
||||||||
Zeile:
|
Text:
|
Verknüpfungen:
|
|
|||||
01 | etwas entgegengesetzt. Sie hat uns lehrt uns, daß wir sterben | |||||||
02 | müssen, auf das wir klug werden, daß wir nemlich uns über eine Gunst | |||||||
03 | des Glükes nicht wie Kinder erfreuen, noch über dessen Ungunst wie | |||||||
04 | Kinder betrüben sollen. Sie hat den lebhaften Freuden hinten nach den | |||||||
05 | Überdruß und Gleichgültigkeit gestellt, damit wir uns nicht durch Einbildung | |||||||
06 | uns phantastische Glükseeligkeit dabey gedachten. Die Liebe, | |||||||
07 | welche sich von dem Zwange der Verbindlichkeit frey spricht, mit vielen | |||||||
08 | Kränkungen, die, so sich der Ordnung und dem Gesetze unterwirft, mit | |||||||
09 | Beschwerlichkeit, vornemlich mit Kaltsinn verbunden, damit der Mann | |||||||
10 | nicht ein Gek seiner Leidenschaft werde. Sie hat das Unbedeutende der | |||||||
11 | Menschen so und ihrer Urtheile so vor Augen gelegt, damit wir zwar | |||||||
12 | durch Hang nicht ohne Gefühl vor ihr Urtheil wären, aber daraus auch | |||||||
13 | keine Sache machen solten, die uns ans Herz geht. | |||||||
593. π—υ. M 305'. E I 355. |
||||||||
15 | Die grosste Neigungen des Menschen sind die des Wahnes; aber der | |||||||
16 | bekümmert eben so oft, als er erfreut. Die Erhebung über das Mittelmaß | |||||||
17 | hat seine Ungemachlichkeiten, und der gringe Zustand seine gemachlichkeit. | |||||||
18 | Man kann sich aus allem einen Vortheil oder Trost heraussuchen. Es ist | |||||||
19 | nichts, was uns das Leben besser genießen läßt, als daß wir seine Güter | |||||||
20 | nicht hoch anschlagen. Das Temperament mag sein, welches es wolle: es | |||||||
21 | muß immer unter dem Zwange der Vernunft stehen. Alle machtige Bewegungen | |||||||
22 | sind Zerüttungen der inneren Ordnung; Gefühle sind blind. | |||||||
594. π—υ. M 305'. E I 244. |
||||||||
24 | Es ist nichts, was die unheilbare Thorheit des menschlichen Geschlechts | |||||||
25 | stärker beweist, als daß sie von ihrer Angstlichkeit in Ansehung | |||||||
[ Seite 255 ] [ Seite 257 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
||||||||