Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 165 |
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01 | in dem Urtheil: meine Vorstellung von dem Tisch der vor mir steht, | ||||||
02 | richtet sich nach dem Tisch, und dieses Object afficirt mich, es bringt | ||||||
03 | Empfindung in mir hervor, als jeder andere der dieses ursprünglichen | ||||||
04 | Verstandesverfahrens nur in der Anwendung, aber nicht abgezogen | ||||||
05 | sich bewußt ist, und da bin ich freylich überzeugt, daß die Abtheilung | ||||||
06 | des Erkenntnisvermögens, in Sinnlichkeit, als das Vermögen des | ||||||
07 | Subjectiven (das Vermögen von Gegenständen afficirt zu werden) und | ||||||
08 | in Verstand, das Vermögen Gegenstände zu denken (dieses Subjective | ||||||
09 | auf ein Object zu beziehen) mit erforderlicher Deutlichkeit allererst | ||||||
10 | nach richtiger Ansicht der Categorie als eines ursprünglichen Verstandesverfahrens | ||||||
11 | ausgeht. | ||||||
12 | Der Düsseldorfer Iacobi sagt in seinem David Hume betitelten | ||||||
13 | Gespräch: "Ich muß gestehen, daß dieser Umstand (daß nämlich die | ||||||
14 | Gegenstände Eindrücke auf die Sinne machen) mich bey dem Studio | ||||||
15 | der Kantischen Philosophie nicht wenig aufgehalten hat, so daß ich | ||||||
16 | verschiedene Iahre hinter einander, die Critik der reinen Vernunft | ||||||
17 | immer wieder von vorne anfangen mußte, weil ich unaufhörlich darüber | ||||||
18 | irre wurde, daß ich ohne jene Voraussetzung in das System nicht | ||||||
19 | hineinkommen, und mit jener Voraussetzung darin nicht bleiben | ||||||
20 | konnte." Wenn ich nun über diese Bedenklichkeit, welche gewiß sehr | ||||||
21 | vielen wichtig ist, mein Urtheil sagen und auch bestimmen soll, was | ||||||
22 | Ihre Critik eigentlich meyne, wenn sie auf der ersten Seite der Einleitung | ||||||
23 | von Gegenständen spricht, welche die Sinne rühren, ob sie | ||||||
24 | darunter Dinge an sich oder Erscheinungen meyne? so werde ich antworten, | ||||||
25 | daß da Erscheinung das Object meiner Vorstellung ist, in | ||||||
26 | welcher Bestimmungen desselben gedacht werden, die ich durch das ursprüngliche | ||||||
27 | Verstandesverfahren (z. B. durch das ursprüngliche Fixiren | ||||||
28 | meiner Synthesis von Wahrnehmungen, als eine successive, dadurch | ||||||
29 | Erfahrung einer Begebenheit möglich wird) erhalte, so ist der Gegenstand | ||||||
30 | der mich afficirt, eben daher Erscheinung und nicht Ding an | ||||||
31 | sich. Meynt aber jemand von den Categorien einen absoluten Gebrauch | ||||||
32 | machen zu können, sie als Prädicate der Dinge schlechthin ansehen | ||||||
33 | zu können, ohne Hinsicht des ursprünglichen Verstandesverfahrens | ||||||
34 | das in ihnen liegt (nach Ihrem Ausdruck: eine Anwendung von ihnen | ||||||
35 | auf Objecte ohne Bedingung der Anschauung machen zu können) der | ||||||
36 | ist in der Meynung die Dinge an sich zu erkennen und, wenn ich ein | ||||||
37 | klein wenig auf Herrn Schultz böse seyn wollte, so würde ich gewiß | ||||||
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