Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 157 |
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01 | nicht; daß sie keins ihrer Geschäfte über das Studium der | ||||||
02 | Philosophie versäumt. | ||||||
03 | Meine Vorlesungen über die Logik habe ich vor ungefähr 6 Wochen | ||||||
04 | geschlossen, und die über die Critik der praktischen Vernunft denke ich | ||||||
05 | in 14 Tagen zu schließen. Ich werde diesen Sommer 2 Stunden | ||||||
06 | in der Woche ein Colleg. privatissimum über die reine Mathematik | ||||||
07 | und 2 Stunden eins über die Critik der reinen Vernunft lesen. | ||||||
08 | Der erste Theil meiner Schrift über das Moralprinzip wird diese | ||||||
09 | Woche fertig, und ich denke künftige Woche das Vergnügen zu haben | ||||||
10 | Ihnen und dem Herrn Prof. Krause ein Exemplar zu überschicken. | ||||||
11 | Ich habe den ersten Theil dem Könige dedicirt, und werde ihm noch | ||||||
12 | vor Ende der Woche das Exemplar übersenden. Der Druck Ihrer | ||||||
13 | Schrift wird auch gegen das Ende dieser Woche fertig. | ||||||
14 | Der Herr Kanzler von Hoffmann ist vor 14 Tagen nach Halle | ||||||
15 | zurückgereist, und hat mir aufgetragen, Ihnen seine unbegrenzte Achtung | ||||||
16 | zu bezeigen. Er wird ungefähr 6 Wochen in Halle bleiben und dann | ||||||
17 | mit seiner Gemalin eine Reise nach der Schweiz und Italien machen | ||||||
18 | um seine Gesundheit herzustellen. | ||||||
19 | Mein Vorsatz Sie, theuerster Herr Professor, in den Hundstagsferien | ||||||
20 | zu besuchen, steht unerschüttert fest, ich habe mir die Erlaubniß | ||||||
21 | zu dieser Reise sowohl beim Minister als bei Hofe ausbedungen. | ||||||
22 | Ich denke 14 Tage in Königsberg zu bleiben, und wünsche nichts | ||||||
23 | mehr, als daß Sie mir sodann erlauben möchten, mich mit Ihnen über | ||||||
24 | einige Dinge zu unterreden. | ||||||
25 | Professor Selle hat eine Abhandlung gegen Ihr System in der | ||||||
26 | Akademie vorgelesen, und wird sie auch drucken laßen, er glaubt, wie er | ||||||
27 | sagt, Ihrem System dadurch den Todesstoß gegeben zu haben. So viel | ||||||
28 | ich gehört habe, so zweckt sein Hauptargument dahin, daß gesetzt auch, | ||||||
29 | Sie hätten bewiesen R[aum] und Z[eit] wären die Formen unserer Sinnlichkeit, | ||||||
30 | Sie doch nicht zeigen könnten, daß sie nur Formen der Sinnlichkeit | ||||||
31 | wären, weil es immer doch möglich sei, sich zu denken, daß R. | ||||||
32 | und Z. den Dingen an sich zukämen, welches Sie um so weniger leugnen | ||||||
33 | könnten, da Sie selbst behaupteten, man könne von den Dingen an | ||||||
34 | sich nichts wissen, und es daher ganz wohl möglich sei, daß R. und Z. | ||||||
35 | den Dingen an sich selbst zukämen. Überdis könne man auf die Art | ||||||
36 | allein die Frage beantworten, warum wir grade in diesen und keinen | ||||||
37 | andern Formen anschauten? Seiner Meinung nach wären R. und Z. | ||||||
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