Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 035 |
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01 | nicht umgekehrt: ein jedes Urtheil, das ein Attribut von feinem Subiect | ||||||
02 | ausdrückt, ist ein synthetisches Urtheil a priori ; denn es giebt auch | ||||||
03 | analytische Attribute. Vom Begriffe eines Körpers ist Au[s]dehnung | ||||||
04 | ein wesentliches Stück; denn es ist ein primitives Merkmal | ||||||
05 | desselben, welches aus keinem anderen inneren Merkmal desselben abgeleitet | ||||||
06 | werden kan. Die Theilbarkeit aber gehört zwar auch als | ||||||
07 | nothwendiges Prädicat zum Begriffe eines Körpers, aber nur als ein | ||||||
08 | solches (subalternes) welches von jenem (Ausgedenhtseyn) abgeleitet ist; | ||||||
09 | ist also ein Attribut vom Körper. Nun wird die Theilbarkeit nach | ||||||
10 | dem Satze der Identität aus dem Begriffe des Ausgedehnten (als | ||||||
11 | Zusammengesetzten) abgeleitet und das Urtheil, ein jeder Körper ist | ||||||
12 | theibar, ist ein Urtheil a priori , welches ein Attribut von einem Dinge | ||||||
13 | zum Prädicat desselben (als Subiects) hat und demnach kein synthetisches | ||||||
14 | Urtheil; mithin ist die Eigenthümlichkeit des Prädicats in | ||||||
15 | einem Urtheile, da es Attribut ist, ganz u. gar nicht tauglich dazu, | ||||||
16 | synthetische Urtheile a priori von analytischen zu unterscheiden. | ||||||
17 | Alle dergleichen anfängliche Verirrungen, nachher vorsetzliche Blendwerke, | ||||||
18 | gründen sich darauf, daß das logische Verhältnis von Grund | ||||||
19 | und Folge mit dem realen verwechselt wird. Grund ist (im Allgemeinen) | ||||||
20 | das, wodurch etwas Anderes (Verschiedenes) bestimmt gesetzt | ||||||
21 | wird ( qvo posito determinate * ponitur aliud ). Folge ( rationatum ) | ||||||
22 | ist qvod non ponitur nisi posito alio . Der Grund muß also immer | ||||||
23 | etwas Anderes als die Folge seyn, und wer zum Grunde nichts anders, | ||||||
24 | als die gegebene Folge selbst anführen kan, gesteht, er wisse (oder die | ||||||
25 | Sache habe) keinen Grund! Nun ist diese Verschiedenheit entweder | ||||||
26 | blos logisch (in der Vorstellungsart) oder real in dem Obiecte selbst. | ||||||
27 | Der Begrif des Ausgedehnten ist von dem Begriffe des Theilbaren | ||||||
28 | logisch verschieden; denn jener enthält zwar diesen, aber noch mehr | ||||||
29 | dazu; In der Sache selbst aber ist doch Identität zwischen beyden; | ||||||
30 | denn die Theilbarkeit liegt doch wirklich in dem Begriffe der Ausdehnung. | ||||||
* Dieser Ausdruck muß niemals in der Definition des Grundes mangeln. Denn auch die Folge ist etwas, wodurch, wenn ich es setze, ich zugleich etwas anders als gesetzt denken muß, nämlich sie gehört immer zu irgend etwas als einem Grunde. Aber wenn ich etwas als Folge denke, so setze nur irgend einen Grund, unbestimmt welchen. (daher dem hypothetischen Urtheile die Regel zum Grunde liegt a positione conseqventis ad positionem antecedentis non valet consequentia ). Dagegen wenn der Grund gesetzt wird die Folge bestimmt wird. | |||||||
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