Kant: AA X, Briefwechsel 1788 , Seite 519 |
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01 | Es sei, auch hierinn erfüllte ein glücklicher Fund unsre Erwartung, | ||||||
02 | wird dieser Nemliche auch sein Absehn zugleich mit darauf richten, die | ||||||
03 | Schüler in Absicht ihres moralischen Verhaltens, der Stimmung ihres | ||||||
04 | Herz (welches Letztre doch noch dem Erstern vorzuziehn) gut zu bilden, | ||||||
05 | wird er ihnen gut denken, gut handeln, künftig nützliche u. gute Bürger | ||||||
06 | zu sein lehren? wird er endlich ihnen mit gutem Beispiel vorgehen u. | ||||||
07 | durch eigenes unsträfliches Verhalten, sie zur Nacheiferung anzufeuern | ||||||
08 | im Stande sein? | ||||||
09 | Diese Eigenschaften laßen sich, besonders wenn sie mit gehörigem | ||||||
10 | Fleiß, u. Entfernung sich selbst wißenschaftlich, oder auch durch Zerstreuungen | ||||||
11 | zu unterhalten vergesellschaftet sein sollen, schwerlich zusammen | ||||||
12 | erwarten, u. ließe sich einmal ein solcher Phönix, der auch zugleich | ||||||
13 | in der Situation wäre Hofmeister werden zu wollen, antreffen, | ||||||
14 | wie solte ich gerade unter so vielen Suchenden der einzige glückliche | ||||||
15 | werden zu können hoffen? Zu geschweigen daß ich nach dieser ganz | ||||||
16 | unwarscheinlichen Erlangung durch verschiedene Evenements wiederum | ||||||
17 | in kurzem um ihn gebracht werden; wenigstens Neigung versorgt zu | ||||||
18 | werden, u. dadurch sein eigen Glück zu befördern mich nächstens um | ||||||
19 | ihn bringen kann. | ||||||
20 | Die gemeinen öffentlichen Schulen haben wiederum eben so viele | ||||||
21 | Mängel u. Unvollkommenheiten, selbst von der Seite des bloßen | ||||||
22 | Unterrichts. Ew Wohlgeb. kennen sie alle beßer als ich sie herzuerzählen | ||||||
23 | weiß. Indeßen erschöpft sich daselbst mit dem Unterricht auch alles, | ||||||
24 | u. auf Herz u. Sitten wird selten andere Rücksicht als mit der Peitsche | ||||||
25 | genommen. Und wie groß ist daselbst die Gefahr der Verfürung, des | ||||||
26 | Beispiels von so vielen äußerst bösen, wenigstens muthwilligen u. ausgelaßenen | ||||||
27 | Knaben. Aus der Schule kommen sie zu den Eltern welche | ||||||
28 | vielleicht jeden Abend engagirt, oder sonst so beschäftigt sind, daß sie | ||||||
29 | unmöglich sich allein damit belasten können, die übeln moralischen | ||||||
30 | Eindrücke so durch die Schule entstanden aus dem Wege zu räumen, | ||||||
31 | u. wiederum an deren Stelle gute Gesinnungen u. Grundsäzze zu pflanzen; | ||||||
32 | vielmehr sind die Knaben vielleicht gar der Gesellschaft u. Aufsicht der | ||||||
33 | Domestiquen übergeben, wodurch denn der höchste Grad des Übels zu | ||||||
34 | wege gebracht wird. Einzelne Pensiones für Knaben sind noch beinahe | ||||||
35 | schlimmer, indem diese Erzieher öfters weniger als die Eltern | ||||||
36 | dazu geschickt sind, oder nur darauf bedacht nehmen die Zahlungen in | ||||||
37 | ihre Börsen zu erhalten, u. im übrigen den Himmel walten laßen. | ||||||
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