Kant: AA X, Briefwechsel 1788 , Seite 520 |
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| 01 | Indem ich nun mit diesen Ideen beschäftigt war, gerieth mir vor | ||||||
| 02 | einigen Wochen unter den Zeitschriften der hiesigen Lesebibliotheken, | ||||||
| 03 | womit Deutschland, so ohne Maaß überschwemmt ist, ein Stück der | ||||||
| 04 | Ephemeriden der Menschheit, oder Bibliothek der Sittenlehre Politik | ||||||
| 05 | u. Gesetzgebung in die Hände (ich glaube es war vom Decmbr 86) | ||||||
| 06 | welches ein Schreiben des Lehrers am Dessauschen Philantropiens | ||||||
| 07 | Lenz an den Herausgeber enthält, u. worinnen die Einrichtungen | ||||||
| 08 | desselben zu meinem ausnehmenden Wohlgefallen geschildert, u. dem | ||||||
| 09 | Publico vor Augen gelegt wurden. Ich ward auch von der Warheit | ||||||
| 10 | der Anfürungen um so mehr überzeugt, da ich (ni fallor) den Mann | ||||||
| 11 | in Ew Wohlgeb. Vorlesungen (mit noch einem andern Bruder) kennen | ||||||
| 12 | gelernt, u. daselbst deßen Freundschaft genoßen. Hierdurch ward mir | ||||||
| 13 | das vom Philantropien gesagte noch werther, u. bei würklicher Ermanglung | ||||||
| 14 | hiesiger guter Stadtschulen für das junge Alter meiner | ||||||
| 15 | beiden ältesten Söhne, ward bis auf die Beistimmung Ew Wohlgeb. | ||||||
| 16 | der eventuelle Entschluß von mir, u. meiner Frauen gefaßt, unsre | ||||||
| 17 | Kinder instehenden Aprill nach Dessau zu bringen. Ich sezze wie gesagt | ||||||
| 18 | noch alles auf das Dafürhalten Ew Wohlgebornen aus: das Urteil | ||||||
| 19 | keines Gelerten ist mir so genüglich, als das von meinem eigenen | ||||||
| 20 | liebsten u. schäzzenswerthesten Lehrer; und dann hat auch Niemand | ||||||
| 21 | außer Ihnen davon beßere Kenntniß u. Wißenschaft. Ew Wohlgeb. | ||||||
| 22 | kennen Herren Modderby deßen Sohn im Dessauschen Philantropien | ||||||
| 23 | erzogen worden, u. diesen Sohn seit etlichen Iahren selbst, auch | ||||||
| 24 | stehen Sie (wie glaube) mit Lehrern daselbst in Korrespondenz. Dörfte | ||||||
| 25 | ich Ew Wohlgeb. dahero wohl um Ihre ganz unbefangne Meinung, | ||||||
| 26 | die wenn sie auch wiedrig ausfallen solte, dennoch kein Mensch erfaren | ||||||
| 27 | würde, bitten? Vorzüglich wünschte ich in dreien Rücksichten Ew Wolgeb. | ||||||
| 28 | Dafürhalten 1. Ob die Erlernungen von der Art sind, daß die | ||||||
| 29 | Lehrlinge von dort aus mit Nuzzen auf eine Akademie befördert werden | ||||||
| 30 | können. Das Wißen eines jungen Menschen macht doch kunftighin auf | ||||||
| 31 | alle Weise seine Brauchbarkeit u. ist mithin vorzüglich in Betracht zu | ||||||
| 32 | ziehen. 2) Ob auch Unterweisungen in der geoffenbarten Religion | ||||||
| 33 | gegeben werden, damit ich mich wenigstens bei diesem u. jenem | ||||||
| 34 | Orthodoxen legitimiren kann. | ||||||
| 35 | Von der Sorge für Gesundheit u. korperliche Uebungen, so wie | ||||||
| 36 | von Moralischer Pflege glaube mich uberzeugt halten zu können, allein | ||||||
| 37 | auch hierüber verhoffe Ew Wolgeb. Bestätigung | ||||||
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