Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 386

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sie gewaltsam hingerißen wurde, in den rechten Kreislauf hinzuarbeiten      
  02 - -      
           
  03 Ich kehre zum Vorhergehenden zurük: Als der Ungenannte, durch      
  04 die ihm zugestoßene widrige Begebenheit, jenen Entschluß aus seiner      
  05 Seele riß, sich aber von der Person in der Hauptsache fälschlich beschuldigt      
  06 glaubte, so bediente er sich keiner unedlen Mittel, um die      
  07 Warheit herauszubringen; Zu diesem Behuf entdekte er sich einem      
  08 angesehenen Manne, der eine obrigkeitliche Würde bekleidete, und der      
  09 ihm selbst gefärlich werden konnte, wenn er nicht die rechten Wege      
  10 betreten - oder sonst unedle Absichten verrathen sollte. Wenn der      
  11 Ungenannte einen irgend verdekten bösen Willen in seinem Herzen gehabt,      
  12 so läßt sich dies sein Betragen gar nicht damit reimen, weil er      
  13 durch daßelbe, sich in seinen auszuführenden Absichten, selbst Zaum und      
  14 Gebiß anlegte: Nur ein höchst dummer Bösewicht, kann auf solche      
  15 Weise, seinen Plan anlegen. - Der Ungenannte ging also einen ganz      
  16 geraden offnen Weg, so wie jeder rechschaffne Mann, der keine böse      
  17 Vorsäzze im Schilde führt. Er ließ also durch eine gerichtliche Person,      
  18 jene Person vernehmen, ob sie bei ihrer Aussage beharre. Und als      
  19 sie es nun that, so bediente er sich auch in der Folge keiner unedlen      
  20 Mittel. Der Ungenannte both alle seine Kräfte auf, um die Person      
  21 befriedigen zu können, und gab ihr hernach alles, was ihm nur in      
  22 seiner Lage möglich war aufzubringen. Nur erst wie er alles dies in      
  23 Ordnung gebracht, dachte er auf seine Abreise von K. Und auch hiebei      
  24 ging er einen graden offnen Weg. Ia, er nahm den Wollentait, zum      
  25 Curator der Person; just eben den Menschen, der als Commissarius      
  26 unter den Befehlen jenes angesehenen Mannes stand: Hätte er irgend      
  27 böse Absichten gehabt, so würde er am wenigsten diesen Menschen hiezu      
  28 gewählt haben, weil dieser am ersten die schlimmen Absichten des Ungenannten      
  29 entdekken und vereiteln konnte u.s.w.      
           
  30 Hier habe ich alles gesagt, was mir eben in der Seele gegenwärtig      
  31 geworden ist, um das ganze Betragen des Ungenannten ins      
  32 rechte Licht sezzen zu können. Entscheiden Sie selbst, ob ich das zu      
  33 seiner Vertheidigung vorgebracht, was ich nach Ehre und Gewißen      
  34 konnte, um nicht niedrige Par=theiligkeit . . . . . . .      
           
  35 Laßen Ew. Wohlgeb. es sich nicht befremden, wenn Sie ein andres      
  36 Siegel auf diesem Briefe erblikken. Ich habe einen innigen, edlen      
  37 Herzensfreund in G., an den wende ich mich, und bitte ihn um den      
           
     

[ Seite 385 ] [ Seite 387 ] [ Inhaltsverzeichnis ]