Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 387

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vorschuß des Geldes, da deßen schleunige Absendung nöthig ist. Ich      
  02 schikke ihm diesen Brief offen, wie auch Dero Brief an mich, damit      
  03 er meine gegenwärtige wahre Lage wiße, und einsehe, daß mich nur      
  04 eine höchste Nothwendigkeit dringen konnte, hierin zu seiner Freundschaft      
  05 meine Zuflucht zu nehmen. Dieser Freund ist einer der edelsten,      
  06 die der Himmel nur selten zur Wohlthat für die Menschen geboren      
  07 werden läßet: ich darf also nicht das geringste Bedenken tragen, ihm      
  08 den Inhalt dieser Briefe wißen zu laßen.      
           
  09 Mit kümmernden Herzen denke ich immer daran, daß ich noch nicht      
  10 im Stande bin, Ew. Wohlgeb. den mir gethanen Vorschuß zu ersezzen:      
  11 O möchte ich doch darüber in Ihrem Herzen gerechtfertigt seyn! Laßen      
  12 Sie mir nur noch eine kleine Weile Zeit, um daß ich mich etwas in      
  13 Positur sezzen kann.      
           
  14 Meine Kränklichkeit und langes AugenÜbel, wie auch andre verdrüßliche      
  15 Familien=Geschäfte, die aber nothwendig waren, haben mir      
  16 den größten Theil der Zeit von diesem Winter geraubt, ohne daß ich      
  17 darin so viel zu stande bringen können, als ich gedacht. Mein Wille      
  18 ist noch immer auf eine Universität zu gehen, ob nach Halle oder      
  19 Göttingen, weiß ich noch nicht; vor Göttingen scheue ich mich, wegen      
  20 der dortigen Verhältniße, da mir unsäglicher Verdruß bevorstehen      
  21 möchte. Nach Halle hätte ich am Meisten Lust, man hat es mir auch      
  22 aus Berlin her angerathen. Da aber starke Auslagen dazu gehören,      
  23 das akademische Leben anzu[t]reten, so muß ich vorizt noch für den      
  24 Buchladen arbeiten, um die etwa nöthige Summe zusammen zu haben.      
  25 Gegenwärtig arbeite ich über das alte Aegypten; meine Betrachtungen      
  26 darüber werden unter dem Titel: Memnonium , ans Licht treten. So      
  27 viel ich weiß, ist der Gang meiner Gedanken in dieser Schrift ganz      
  28 neu. der Göttinger Recensent sagt über meine leztere Schrift, daß sie      
  29 viele Paradoxen enthalte, diese dürfte auf die Art deren noch mehrere      
  30 enthalten: Mit HE Meiners werde ich, um seine ganz falsche Meinung      
  31 über Aegypten (:denn er gräcisirt und versteht gar nicht sich in den      
  32 wahren Orientalismus hineinzudenken:) zu widerlegen, auch noch manches      
  33 zu thun kriegen. Ich suche mir in dieser Schrift eine ganz neue Bahn      
  34 zu brechen. - Es sind schon häufig Anzeigen meiner Schriften erfolgt,      
  35 mit denen ich, so viel ich deren gelesen, noch möglich zufrieden bin,      
  36 die Göttinger aus genommen.      
           
  37 Ich stehe izt mit dem Statthalter von Dalberg in Erfurt im      
           
     

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