Kant: AA X, Briefwechsel 1775 , Seite 179 |
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Text (Kant):
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01 | oft geredet hatte, angepriesen haben. Doch war diese Methode den | ||||||
02 | damaligen Zeiten (vor welche und ohne Rücksicht auf die spätere | ||||||
03 | sie auch schrieben) besser angemessen als den unsrigen wo alten | ||||||
04 | Wundern neue, jüdischen Satzungen christliche entgegengesetzt werden | ||||||
05 | musten. Hier muß ich schleunig abbrechen und muß in ergebenster | ||||||
06 | Empfehlung an Dero würdigen Freund Herren Pfenniger auf mein | ||||||
07 | nächstes Schreiben (dergleichen ietzt durch Einschlus leichter fortgehen | ||||||
08 | kan) das übrige verschieben. Ihr aufrichtiger | ||||||
09 | Freund. | I.Kant | |||||
100. | |||||||
11 | An Iohann Caspar Lavater. | ||||||
12 | Nach dem 28. April 1775. | ||||||
13 | (Briefentwurf.) | ||||||
14 | Die Gelegenheit die mir ietzt vorkömt meinem letzten abgebrochenen | ||||||
15 | Schreiben noch einiges beyzufügen will ich lieber unvollständig | ||||||
16 | als gar nicht nutzen. Vorausgesetzt: daß kein Buch von | ||||||
17 | welcher Autoritaet es auch sey ja sogar eine meinen eigenen Sinnen | ||||||
18 | geschehene Offenbarung mir etwas zur Religion (der Gesinnungen) | ||||||
19 | auferlegen kan was nicht schon durch das heilige Gesetz in mir | ||||||
20 | wornach ich vor alles Rechenschaft geben muß mir zur Pflicht geworden | ||||||
21 | ist und daß ich es nicht wagen darf meine Seele mit Andachtsbezeugungen | ||||||
22 | Bekentnissen etc. anzufüllen die nicht aus den ungeheuchelten | ||||||
23 | und unfehlbaren Vorschriften desselben entsprungen sind | ||||||
24 | (weil Statuten zwar Observanzen aber nicht Gesinnungen | ||||||
25 | des Herzens hervorbringen können) so suche ich in dem Evangelio | ||||||
26 | nicht den Grund meines Glaubens sondern dessen Bevestigung und | ||||||
27 | finde in dem moralischen Geiste desselben dasienige was die Nachricht | ||||||
28 | von der Art seiner Ausbreitung und die Mittel es in die | ||||||
29 | Welt einzuführen kurz: dasienige, was mir obliegt von dem was | ||||||
30 | Gott zu meinem Vortheil thut deutlich unterscheidet also mir nichts | ||||||
31 | Neues auferlegt sondern (es mag auch mit den Nachrichten beschaffen | ||||||
32 | seyn wie es wolle) doch den guten Gesinnungen neue Stärke und | ||||||
33 | Zuversicht geben kan. So viel zur Erläuterung der Stelle meines | ||||||
34 | vorigen Schreibens von der Absonderung zweyer verknüpften aber | ||||||
35 | ungleichartigen Theile der heil: Bücher und der Art sie auf mich | ||||||
36 | anzuwenden. | ||||||
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