Kant: AA X, Briefwechsel 1772 , Seite 129

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 meinem Freund nicht zum Theil nehmer in dieser Sache die seine      
  02 Glückseligkeit aus macht auf zu foderen.      
           
  03 Diese soll allein der Wucher meines Lebens, und die Ruhe meiner Tage      
           
  04 ausmachen      
           
           
    70.      
  06 An Marcus Herz.      
           
  07 21. Febr. 1772.      
           
  08 Hochedler Herr      
           
  09 Werther Freund      
           
  10 Wenn Sie über das gäntzliche Ausbleiben meiner Antworten      
  11 unwillig werden, so thun Sie mir hierinn zwar nicht Unrecht; wenn      
  12 Sie aber hieraus unangenehme Folgerungen ziehen, so wünschte ich      
  13 mich desfals auf Ihre eigne Kenntnis von meiner Denckungsart berufen      
  14 zu können. Statt aller Entschuldigung will ich Ihnen eine kleine      
  15 Erzählung von der Art der Beschäfftigung meiner Gedanken geben,      
  16 welche in müssigen Stunden bey mir den Ausschub des Briefschreibens      
  17 veranlassen. Nach Ihrer Abreise von Königsb: sahe ich in denen      
  18 Zwischenzeiten der Geschäfte und der Erholungen, die ich so nöthig      
  19 habe, den Plan der Betrachtungen, über die wir disputirt hatten,      
  20 noch einmal an, um ihn an die gesammte Philosophie und übrige      
  21 Erkentnis zu passen und dessen Ausdehnung und Schranken zu begreifen.      
  22 In der Unterscheidung des Sinnlichen vom Intellektualen in der      
  23 Moral und denen daraus entspringenden Grundsätzen hatte ich es      
  24 schon vorher ziemlich weit gebracht. Die Principien des Gefühls, des      
  25 Geschmacks und der Beurtheilungskraft, mit ihren Wirkungen, dem      
  26 Angenehmen, Schönen und Guten hatte ich auch schon vorlängst zu      
  27 meiner ziemlichen Befriedigung entworfen und nun machte ich mir      
  28 den Plan zu einem Werke welches etwa den Titel haben könte: Die      
  29 Grentzen der Sinnlichkeit und der Vernunft. Ich dachte mir      
  30 darinn zwey Theile, einen theoretischen und pracktischen. Der erste      
  31 enthielt in zwey Abschnitten 1. Die phaenomologie überhaupt.      
  32 2. Die Metaphysik, und zwar nur nach ihrer Natur u. Methode.      
  33 Der zweyte ebenfals in zwey Abschnitten 1. Allgemeine Principien      
  34 des Gefühls des Geschmacks und der sinnlichen Begierde. 2. Die      
  35 erste Gründe der Sittlichkeit. Indem ich den theoretischen Theil in      
           
     

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