Kant: AA X, Briefwechsel 1759 , Seite 010

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Calvinisten sind an allem Unglücke schuld. Er liebt das Menschliche      
  02 Geschlecht wie der Franzmann das Frauenzimmer, zu seinem bloßen      
  03 Selbstgenuß und auf Rechnung Ihrer Tugend und Ehre. In der      
  04 Freundschaft, wie in der Liebe, verwirft er alle Geheimniße. Das heist den      
  05 Gott der Freundschaft gar leugnen; und wenn der Ovid, sein Leibdichter,      
  06 ad amicam corruptam schreibt, ist er noch zärtlich genung, ihr die      
  07 Vertraulichkeit eines Dritten vorzurücken über Ihre LiebesHändel.      
           
  08 Haec tibi sunt mecum, mihi sunt communia tecum      
  09 In bona cur quisquam tertius ista venit .      
           
  10 Daß er anders denkt als er redet, anders schreibt als er redt, werde      
  11 ich bey Gelegenheit eines Spatzierganges Ihnen einmal näher entdecken      
  12 können. Gestern sollte alles öffentlich seyn, und in seinem letzten      
  13 Billet doux schrieb er mir: "Ich bitte mir aus, daß Sie von alle      
  14 "dem, was ich Ihnen als ein redlicher Freund schreibe, nicht den gering"sten      
  15 Misbrauch zu unserm Gelächter machen - Unsere Haus Sachen      
  16 "gehen Sie gar nichts mehr an - wir leben hier ruhig, vergnügt,      
  17 "menschlich und christlich. Ich habe mich an diese Bedingung so ängstlich      
  18 gehalten, daß ich mir über unschuldige Worte die mir entfahren      
  19 und die keiner verstehen konte, ein Gewißen gemacht. Ietzt soll alles      
  20 öffentlich seyn. Ich halte mich aber an Seine Handschrift.      
           
  21 Es wird zu keiner Erklärung unter uns kommen. Es schickt sich      
  22 nicht für mich, daß ich mich rechtfertige. Weil ich mich nicht rechtfertigen      
  23 kann, ohne meine Richter zu verdammen, und dies sind die liebsten      
  24 Freunde, die ich auf der Welt habe.      
           
  25 Wenn ich mich rechtfertigen sollte; so müste ich beweisen,      
           
  26 1. daß mein Freund eine falsche Erkenntnis Seiner Selbst hat,      
           
  27 2. eben so falsch einen jeden seiner Nächsten beurtheilt,      
           
  28 3. eine falsche von mir gehabt und noch hat      
           
  29 4. die Sache unter uns, im Gantzen und ihrem Zusammenhange,      
  30 gantz unrichtig und einseitig beurtheilt.      
           
  31 5. Von demjenigen weder Begrif noch Empfindung hat, was ich      
  32 und Er bisher gethan und noch thun.      
           
  33 Daß ich ihn in dem übersehen kann, was ich weiß und nicht weiß, da      
  34 er gethan und noch thut, weil ich alle die Grundsätze und Triebfedern      
  35 kenne, nach denen er handelt, da er nach seinem eigenen Geständnis,      
           
     

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