Kant: AA IX, Immanuel Kant über ... , Seite 495

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 dann blos einen abergläubischen Cultus ab. Moralität muß also vorhergehen,      
  02 die Theologie ihr dann folgen, und das heißt Religion.      
           
  03 Das Gesetz in uns heißt Gewissen. Das Gewissen ist eigentlich die      
  04 Application unserer Handlungen auf dieses Gesetz. Die Vorwürfe desselben      
  05 werden ohne Effect sein, wenn man es sich nicht als den Repräsentanten      
  06 Gottes denkt, der seinen erhabenen Stuhl über uns, aber auch in      
  07 uns einen Richterstuhl aufgeschlagen hat. Wenn die Religion nicht zur      
  08 moralischen Gewissenhaftigkeit hinzukommt: so ist sie ohne Wirkung.      
  09 Religion ohne moralische Gewissenhaftigkeit ist ein abergläubischer Dienst.      
  10 Man will Gott dienen, wenn man z. E. ihn lobt, seine Macht, seine      
  11 Weisheit preist, ohne darauf zu denken, wie man die göttlichen Gesetze      
  12 erfülle, ja, ohne einmal seine Macht, Weisheit usw. zu kennen und denselben      
  13 nachzuspüren. Diese Lobpreisungen sind ein Opiat für das Gewissen      
  14 solcher Leute und ein Polster, auf dem es ruhig schlafen soll.      
           
  15 Kinder können nicht alle Religionsbegriffe fassen, einige aber muß      
  16 man ihnen demungeachtet beibringen; nur müssen diese mehr negativ als      
  17 positiv sein. - Formeln von Kindern herbeten zu lassen, das dient zu      
  18 nichts und bringt nur einen verkehrten Begriff von Frömmigkeit hervor.      
  19 Die wahre Gottesverehrung besteht darin, daß man nach Gottes Willen      
  20 handelt, und dies muß man den Kindern beibringen. Man muß bei      
  21 Kindern, wie auch bei sich selbst darauf sehen, daß der Name Gottes nicht      
  22 so oft gemißbraucht werde. Wenn man ihn bei Glückwünschungen, ja      
  23 selbst in frommer Absicht braucht: so ist dies eben auch ein Mißbrauch.      
  24 Der Begriff von Gott sollte den Menschen bei dem jedesmaligen Aussprechen      
  25 seines Namens mit Ehrfurcht durchdringen, und er sollte ihn daher      
  26 selten und nie leichtsinnig gebrauchen. Das Kind muß Ehrfurcht vor      
  27 Gott empfinden lernen, als vor dem Herrn des Lebens und der ganzen      
  28 Welt; ferner als vor dem Vorsorger der Menschen und drittens endlich als      
  29 vor dem Richter derselben. Man sagt, daß Newton immer, wenn er den      
  30 Namen Gottes ausgesprochen, eine Weile inne gehalten und nachgedacht      
  31 habe.      
           
  32 Durch eine vereinigte Deutlichmachung des Begriffes von Gott und      
  33 der Pflicht lernt das Kind um so besser die göttliche Vorsorge für die Geschöpfe      
  34 respectiren und wird dadurch vor dem Hange zur Zerstörung und      
  35 Grausamkeit bewahrt, der sich so vielfach in der Marter kleiner Thiere      
  36 äußert. Zugleich sollte man die Jugend auch anweisen, das Gute in dem      
  37 Bösen zu entdecken, z. E. Raubthiere, Insecten sind Muster der Reinlichkeit      
           
     

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