Kant: AA IX, Immanuel Kant über ... , Seite 466 |
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| 01 | ihr ganzes Leben hindurch und bleiben darin immer kindisch. Denn | ||||||
| 02 | Spinnen sind zwar den Fliegen gefährlich, und ihr Biß ist für sie giftig, | ||||||
| 03 | dem Menschen schaden sie aber nicht. Und eine Kröte ist ein eben so | ||||||
| 04 | unschuldiges Thier, als ein schöner, grüner Frosch oder irgend ein anderes | ||||||
| 05 | Thier. | ||||||
| 06 | Der positive Theil der physischen Erziehung ist die Cultur. Der | ||||||
| 07 | Mensch ist in Beziehung auf dieselbe von dem Thiere verschieden. Sie | ||||||
| 08 | besteht vorzüglich in der Übung seiner Gemüthskräfte. Deswegen müssen | ||||||
| 09 | Eltern ihrem Kinde dazu Gelegenheit geben. Die erste und vornehmste | ||||||
| 10 | Regel hiebei ist, daß man so viel als möglich aller Werkzeuge entbehre. | ||||||
| 11 | So entbehrt man gleich anfänglich des Leitbandes und Gängelwagens | ||||||
| 12 | und läßt das Kind auf der Erde herumkriechen, bis es von selbst gehen | ||||||
| 13 | lernt, und dann wird es desto sicherer gehen. Werkzeuge nämlich ruiniren | ||||||
| 14 | nur die natürliche Fertigkeit. So braucht man eine Schnur, um eine | ||||||
| 15 | Weite zu messen; man kann dies aber eben so gut durch das Augenma | ||||||
| 16 | bewerkstelligen; eine Uhr, um die Zeit zu bestimmen, man kann es durch | ||||||
| 17 | den Stand der Sonne; einen Compaß, um im Walde die Gegend zu | ||||||
| 18 | wissen, man kann es auch aus dem Stande der Sonne am Tage und aus | ||||||
| 19 | dem Stande der Sterne in der Nacht. Ja man kann sogar sagen, anstatt | ||||||
| 20 | ein Kahn zu brauchen, um auf dem Wasser fortzukommen, kann man | ||||||
| 21 | schwimmen. Der berühmte Franklin wundert sich, daß nicht Jedermann | ||||||
| 22 | dieses lernt, da es doch so angenehm und nützlich ist. Er führt auch eine | ||||||
| 23 | leichte Art an, wie man es von selbst lernen kann. Man lasse in einen | ||||||
| 24 | Bach, wo, wenn man auf dem Grunde steht, der Kopf wenigstens außer | ||||||
| 25 | dem Wasser ist, ein Ei herunter. Nun suche man das Ei zu greifen. Indem | ||||||
| 26 | man sich bückt, kommen die Füße in die Höhe, und damit das Wasser nicht | ||||||
| 27 | in den Mund komme, wird man den Kopf schon in den Nacken legen, und | ||||||
| 28 | so hat man die rechte Stellung, die zum Schwimmen nöthig ist. Nun | ||||||
| 29 | darf man nur mit den Händen arbeiten, so schwimmt man. - Es kommt | ||||||
| 30 | nur darauf an, daß die natürliche Geschicklichkeit cultivirt werde. Oft | ||||||
| 31 | gehört Information dazu, oft ist das Kind selbst erfindungsreich genug, | ||||||
| 32 | oder erfindet sich selbst Instrumente. | ||||||
| 33 | Was bei der physischen Erziehung, also in Absicht des Körpers, zu | ||||||
| 34 | beobachten ist, bezieht sich entweder auf den Gebrauch der willkürlichen | ||||||
| 35 | Bewegung, oder der Organe der Sinne. Bei dem erstern kommt es darauf | ||||||
| 36 | an, daß sich das Kind immer selbst helfe. Dazu gehört Stärke, Geschicklichkeit, | ||||||
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