Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 397 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | sie doch in immerwährender Uneinigkeit leben), so stehen sie in großer | ||||||
02 | Connexion und können dadurch leicht heimliche Dinge erfahren. Eine | ||||||
03 | rühmliche Sache in Persien ist, daß meretirte, vornehme Männer vielfältig | ||||||
04 | im Alter öffentliche Lehrstunden halten, da sie ihre Wissenschaft und Erfahrung | ||||||
05 | den Jungen mittheilen. Was die Religion anbetrifft: so bildet sie | ||||||
06 | eine Secte der mahomedanischen, welche aber von den Türken sehr gehaßt | ||||||
07 | wird. Man findet aber in ihren Schriften öfters viel reinere Begriffe vom | ||||||
08 | Himmel und Hölle, als man sie im Koran liest. Eine artige Fabel, die | ||||||
09 | man hier von drei Kindern erzählt, deren eins als ein Kind, das zweite | ||||||
10 | gottlos und das letzte fromm starb. Eine andere Fabel von dem Versuche | ||||||
11 | der Engel, in menschliche Leiber über zu gehen. Die guten Werke | ||||||
12 | sind ihrer Lehre nach Zeichen der göttlichen Gnade, aber verdienen nicht | ||||||
13 | die Seligkeit. Die Seele soll nach dem Tode einen zarten Luftleib bekommen. | ||||||
15 | Adam soll eigentlich durch das Essen des verbotenen Baumes nicht | ||||||
16 | gesündigt haben. Es sei ihm nur widerrathen worden, weil er diese grobe | ||||||
17 | Speise nicht so wie die übrigen ausschwitzen könnte. Er sei aus dem Himmel | ||||||
18 | gestoßen worden, damit er ihn nicht verunreinigte. Sonst ist ihre Andacht | ||||||
19 | bei Predigten sehr schlecht, indem manche Tabak rauchen, einige sich | ||||||
20 | unterreden usw. Hier laufen auch die Derwische und Fakirs häufig | ||||||
21 | umher. Gegen den Meerbusen von Persien zu giebt es so genannte Johannis | ||||||
22 | Christen, welche von Christo nichts wissen, außer daß sie vom Taufen | ||||||
23 | viel Wesens machen und des Johannes zum öftern gedenken. Naphtha | ||||||
24 | fließt hier aus Felsen. Der Schiraswein soll der köstlichste in der Welt | ||||||
25 | sein. Man trinkt ihn nur heimlich, aber man berauscht sich an Opium | ||||||
26 | öffentlich, an Bang und Trank von Mohnsamen. Sie rauchen den Tabak | ||||||
27 | durch Wasser. Das Opium, das sie sehr stark brauchen, wird aus der | ||||||
28 | Mohnpflanze Hiltot durch Einritzen des Kopfes gezogen. Die Arbeiter | ||||||
29 | bekommen hiebei häufige Schwindel. In Chorasan giebt es viele Mumien, | ||||||
30 | aber bloße Sandmumien. Die Perlenfischerei trägt fünf Millionen | ||||||
31 | Thaler ein. Jetzt läßt man die Muschelbank ruhen. Sie ist bei der Insel | ||||||
32 | Bahrein vorzüglich. Eine der vorzüglichsten Waaren, die man aus Persien | ||||||
33 | führt, ist die Seide. Tutia, eine Gattung Erde, welche in Töpfen gekocht | ||||||
34 | wird, wird ihr an die Seite gesetzt. Datteln und Pistacien sind hier schön. | ||||||
35 | Die Perser folgen dem Galen in ihren Curen und glauben, er habe von | ||||||
36 | Christo darin sehr viel gelernt. Er soll seinen Vetter Philipp an Christum | ||||||
37 | geschickt haben, der von ihm profitirte. Avicenna (Ibn Sina) ist ihr | ||||||
[ Seite 396 ] [ Seite 398 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |