Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 385 |
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01 | Feuerstein. Unter ihren Gewächsen merke ich nur das im Orient so berühmte | ||||||
02 | Aloeholz, welches sonst auch Paradies=, Kalambak=, Aquilaholz | ||||||
03 | hieß und in Siam, ingleichen in Cochinchina gefunden wird. Es ist von | ||||||
04 | so sehr verschiedener Güte, daß ein Pfund bisweilen mit drei Thalern, | ||||||
05 | bisweilen mit tausend Thalern bezahlt wird. Man braucht es zum Räuchern | ||||||
06 | in den Götzentempeln. | ||||||
07 | Die Portugiesen nennen das grobe siamische Zinn, das man auch in | ||||||
08 | China hat, Calin, dazu man Galmei setzt und daraus man Tutenag macht. | ||||||
09 | Ihre Wissenschaften sind schlecht. Es ist zu merken, daß hier die | ||||||
10 | Ärzte durch ein sanftes Reiben und Streicheln viele Krankheiten heben. | ||||||
11 | Sonst, wenn unbekannte Krankheiten vorfallen, so bilden sie dem Kranken | ||||||
12 | ein, er habe eine ganze Hirschhaut oder einen Klumpen Fleisch von zehn | ||||||
13 | Pfund im Magen durch Zauberei, welchen sie durch Medicin abzuführen | ||||||
14 | versprechen. | ||||||
15 | Astrologen werden stark gesucht; wenn sie nicht mit ihren Wahrsagereien | ||||||
16 | eintreffen, ist eine bedeutende Menge von Schlägen ihr Lohn. In | ||||||
17 | Rechtsaffairen, wenn der Beweis nicht leicht möglich ist, kann man seine | ||||||
18 | Unschuld durch Feuer= oder Wasserproben darthun, so wie vordem bei uns. | ||||||
19 | Die Priester geben auch den Beschuldigten Brechuillen mit großen Verfluchungen | ||||||
20 | ein; wer sich nach ihrem Genusse erbricht, ist unschuldig. Im | ||||||
21 | Kriege sind sie schlechte Helden. In den Kriegen mit Pegu suchen sich | ||||||
22 | beide Armeen so lange auszuweichen als möglich. Treffen sie sich ungefähr, | ||||||
23 | so schießen sie sich über den Kopf weg und sagen, wenn einer ungefähr | ||||||
24 | getroffen wird, er habe es sich selbst zu verdanken, weil er so nahe | ||||||
25 | gekommen. Die jährliche Überschwemmung macht dem Kriege ein Ende. | ||||||
26 | Sie haben Nonnen= und Mönchsklöster in noch größerer Anzahl, als es | ||||||
27 | derer in Portugal giebt. Die Mönche werden Talapoins genannt. Sie | ||||||
28 | lehren, daß alles in der Welt, belebte und unbelebte Wesen, eine Seele | ||||||
29 | habe, die aus einem Körper in den anderen übergehe. Sie geben sogar | ||||||
30 | vor sich dieser Wanderung selbst zu erinnern. Man verbrennt mit dem | ||||||
31 | Verstorbenen die besten Güter desselben, ingleichen oft die Weiber, damit | ||||||
32 | jener sie in jenem Leben wieder finde, denn ihrer Meinung nach sind sie | ||||||
33 | nach dem Tode in den Himmel oder in die Hölle versetzt worden. Sie verwerfen | ||||||
34 | die göttliche Vorsehung, lehren aber, daß durch eine fatale Nothwendigkeit | ||||||
35 | Laster bestraft und Tugenden belohnt werden. Sie vergießen | ||||||
36 | ungern Blut, pressen keinen Saft aus Pflanzen, tödten kein Vieh, sondern | ||||||
37 | essen es nur, wenn es von selbst gestorben ist. Daher ihre milden Kriege | ||||||
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