Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 314 |
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01 | Viele Physiker glauben, sie rühre von der Epidermis und der schwarzen | ||||||
02 | Materie her, mit der sie tingirt ist. Andere noch leiten sie von dem | ||||||
03 | Corpore reticulari her. Weil die Farbe der Menschen durch alle Schattirungen | ||||||
04 | der gelben, braunen und dunkelbraunen endlich in dem heißen | ||||||
05 | Erdstriche zur schwarzen wird: so ist wohl zu sehen, daß die Hitze des Klimas | ||||||
06 | Ursache davon sei. Es ist aber gewiß, daß eine große Reihe | ||||||
07 | von Generationen dazu gehört hat, damit sie eingeartet und nun erblich | ||||||
08 | werde. | ||||||
09 | Es scheint, daß die Vertrocknung der Gefäße, die das Blut und das | ||||||
10 | Serum unter die Haut führen, den Mangel des Bartes und kurze krause | ||||||
11 | Kopfhaare zuwege bringe, und, weil das Licht, welches durch die Oberhaut | ||||||
12 | in die vertrockneten Gänge des Corporis reticularis fällt, verschluckt wird, | ||||||
13 | der Anblick der schwarzen Farbe daraus entstehe. | ||||||
14 | Wie sich aber eine solche zufällige Sache, als die Farbe ist, anarten | ||||||
15 | könne, ist so leicht nicht zu erklären. Man sieht indessen doch aus andern | ||||||
16 | Exempeln, daß es wirklich in der Natur in mehreren Stücken so gehe. Es | ||||||
17 | ist aus der Verschiedenheit der Kost, der Luft und der Erziehung zu erklären, | ||||||
18 | warum einige Hühner ganz weiß werden, und wenn man unter den | ||||||
19 | vielen Küchlein, die von denselben Eltern geboren werden, nur die aussucht, | ||||||
20 | die weiß sind, und sie zusammen thut, bekommt man endlich eine | ||||||
21 | weiße Race, die nicht leicht anders ausschlägt. Arten nicht die engländischen | ||||||
22 | und auf trocknem Boden erzogenen arabischen oder spanischen Pferde | ||||||
23 | so aus, daß sie endlich Füllen von ganz anderm Gewächse erzeugen? Alle | ||||||
24 | Hunde, die aus Europa nach Afrika gebracht werden, werden stumm und | ||||||
25 | kahl und zeugen hernach auch solche Jungen. Dergleichen Veränderungen | ||||||
26 | gehen mit den Schafen, dem Rindvieh und andern Thiergattungen vor. | ||||||
27 | Daß Mohren dann und wann ein weißes Kind zeugen, geschieht ebenso, | ||||||
28 | wie bisweilen ein weißer Rabe, eine weiße Krähe, oder Amsel zum Vorschein | ||||||
29 | kommt. | ||||||
30 | Daß die Hitze des Erdstriches und nicht ein besonderer Elternstamm | ||||||
31 | hieran schuld sei, ist daraus zu ersehen, daß in eben demselben Lande diejenigen, | ||||||
32 | die in den flachern Theilen desselben wohnen, weit schwärzer sind | ||||||
33 | als die in hohen Gegenden lebenden. Daher am Senegal schwärzere Leute | ||||||
34 | als in Guinea und in Kongo und Angola schwärzere als in Oberäthiopien | ||||||
35 | oder Abessinien. | ||||||
36 | Anmerkung. Das Beste hierüber hat ebenfalls Girtanner a. a. O. | ||||||
37 | beigebracht. | ||||||
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