Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 302 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | nach gesenkt, daraus wären die Erdschichten entstanden, die viele Körper | ||||||
02 | fremder Art in sich schließen. Aber die Lage der Schichten, die nicht nach | ||||||
03 | der specifischen Schwere geordnet sind, die Abwechselung der Land= und | ||||||
04 | Seeschichten, welche zeigen, daß die Veränderung nicht nur einmal, sondern | ||||||
05 | öfters mit Abwechselung geschehen, und die der gesunden Vernunft | ||||||
06 | widerstreitende Auflösung aller festen Körper widerlegen diese Begriffe. | ||||||
07 | Whiston lebte zu einer Zeit, da die Kometen in Ansehen kamen. | ||||||
08 | Er erklärte auch die Schöpfung der Erde, die erste Verderbung derselben | ||||||
09 | nach dem Sündenfall, die Sündfluth und das letzte Gericht alles durch | ||||||
10 | Kometen. Die Erde war seiner Meinung nach im Anfange selbst ein Komet, | ||||||
11 | die Atmosphäre machte es dunkel auf der Erde; da sie sich aber reinigte, | ||||||
12 | ward es Licht, endlich wurden Sonne und Sterne erschaffen, oder | ||||||
13 | vielmehr zuerst gesehen. Das inwendige Wasser der Erde wurde mit einer | ||||||
14 | irdischen Rinde bedeckt, und es war kein Meer, also auch kein Regen und | ||||||
15 | Regenbogen. Der Schweif eines Kometen berührte die Erde, und da verlor | ||||||
16 | sie ihre erste Fruchtbarkeit. Ein anderer Komet berührte die Erde mit | ||||||
17 | seinem Dunstkreise, und daraus wurde der vierzigtägige Regen. Die unterirdischen | ||||||
18 | Gewässer brachen hervor; es entstanden Gebirge, und der Boden | ||||||
19 | wurde dem Meere zubereitet. Endlich zog sich das Wasser in die Höhlen | ||||||
20 | der Erde zurück. Außer dem Willkürlichen in dieser Meinung und den | ||||||
21 | übrigen Unrichtigkeiten erklärt sie gar nicht die auf einander in langen | ||||||
22 | Zeitläuften folgende und abwechselnde Veränderung des Meeres in festes | ||||||
23 | Land und umgekehrt. | ||||||
24 | Leibniz in seiner Protogäa glaubt, die Erde habe ehedeß gebrannt, | ||||||
25 | ihre Rinde sei in Glas verändert worden, aller Sand sei Trümmern dieses | ||||||
26 | Glases, der Leimen von den Erdarten wäre der Staub von diesen zerriebenen | ||||||
27 | Glaspartikelchen. Diese glasartige Rinde der Erdkugel sei hernach | ||||||
28 | eingebrochen, worauf dem Meere sein Bette und die Gebirge hervorgebracht | ||||||
29 | worden, das Meer habe das Salz der ausgebrannten Erde in | ||||||
30 | sich gesogen, und dieses sei die Ursache seiner Salzigkeit. | ||||||
31 | Linne hält dafür, Gott habe, da die ganze Erde anfänglich mit | ||||||
32 | Meer bedeckt war, eine einzige Insel, die sich in ein Gebirge erhob, unter | ||||||
33 | den Äquator gesetzt, darauf aber alle verschiedenen Arten von Thieren und | ||||||
34 | Pflanzen nach der Verschiedenheit der Wärme und Kälte, die den verschiedenen | ||||||
35 | Höhen gemäß war, hinaufgesetzt. Diese Insel habe jährlich | ||||||
36 | durch das Anspülen der See neues Land gewonnen, so wie man in Gothland, | ||||||
37 | Dalland usw. wahrnimmt, und sei alles feste Land in der Folge | ||||||
[ Seite 301 ] [ Seite 303 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |