Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 254 |
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01 | muß es ungleich länger stehen als das gewöhnliche gekochte Wasser, wohl | ||||||
02 | bis auf 15 Stunden. Es treffen sich hier also chemische Ursachen vor oder | ||||||
03 | ein Princip der Gährung der Wärme, welche durch die Luft Nahrung bekommt | ||||||
04 | und dadurch die Fermentation befördert. Eine ähnliche Bewandtni | ||||||
05 | hat es auch vielleicht mit dem Gletschereise, das gleichsam ein Princip | ||||||
06 | der Kälte in sich hat. Wenn es daher im Wasser soll aufgelöst werden: | ||||||
07 | so erfordert es eine längere Zeit als jedes andere Eis, weil es alsdann | ||||||
08 | zum Theil noch immer friert. Auch ist das Gletschereis vorzüglich hart, | ||||||
09 | und die Eisberge in der Schweiz haben wie die in Spitzbergen ein bläuliches | ||||||
10 | Ansehn, die letztern indessen doch nicht so stark als die erstern. | ||||||
11 | Wenn man ein Stück von diesem Gletschereise herab in das Thal | ||||||
12 | bringt: so wird es ungeachtet der Wärme nicht aufgelöst, wenn man es | ||||||
13 | gleich einen halben Tag hindurch im Wasser liegen läßt. Dieses rührt | ||||||
14 | vermuthlich von den besondern Bestandtheilen her, die sich in diesem Eise | ||||||
15 | befinden, wie denn auch Langhanns, ein Landphysicus in der Schweiz, | ||||||
16 | aus dem geschmolzenen und zu Wasser gewordenen Gletschereise, wenn es | ||||||
17 | sich in die Erde gezogen, einen Spiritus bereitete, der eine empfindliche | ||||||
18 | Säure bei sich führte, die aber gleich, nachdem man jenen gekostet hatte, | ||||||
19 | wieder verschwand. | ||||||
20 | Man kann im Sommer mitten auf dem Felde Eisfelder anlegen, | ||||||
21 | wenn man schichtenweise Eis nimmt und Salz dazwischen streut, es nachher | ||||||
22 | aber mit Erde belegt. Wenn die Sonne dann das Eis zum Schmelzen | ||||||
23 | bringt: so geräth in diesem Falle das Salz mit dem Wasser in engere | ||||||
24 | Verbindung, und augenblicklich bildet sich wieder neues Eis. | ||||||
25 | Hierbei merken wir zugleich die Erdstürze an, welche entstehen, | ||||||
26 | wenn die Flüsse durch ihren Fall die Erde von den Felsen, auf denen sie | ||||||
27 | ruht, wegspülen. Hin und wieder aber giebt es Berge, die eine solche | ||||||
28 | Höhe haben, daß sie füglich mit ewigem Schnee bedeckt sein könnten, wie | ||||||
29 | z. E. der Pik auf Teneriffa; allein man findet auf ihnen zu keiner Zeit, | ||||||
30 | oder doch nur dann und wann Eis und Schnee. Dieses rührt aber | ||||||
31 | von dem starken Rauch und Feuer her, das aus allen dergleichen Bergen | ||||||
32 | emporsteigt und den Schnee dergestalt fortstößt und mit einem solchen | ||||||
33 | Stoße herabschleudert, daß er nicht einmal Zeit genug hat, zu schmelzen. | ||||||
34 | Von der Höhe des Berges Ätna genießt man die angenehmste Aussicht | ||||||
35 | von der Welt, nicht nur über die Stadt Messina hin, sondern auch über | ||||||
36 | die ganze Gegend und Insel Sicilien. Die Reinigkeit der Luft auf dergleichen | ||||||
37 | Bergen macht auch, daß man den gestirnten Himmel von da aus | ||||||
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