Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 247 |
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01 | Die nächstfolgende Gebirgreihe heißt das mittlere und eine | ||||||
02 | dritte endlich das Hauptgebirge. Das Mittelgebirge ist mehrentheils | ||||||
03 | metallartig, und das Hauptgebirge besteht fast nur aus Stein. | ||||||
04 | Auf der andern Seite aber gehen sie auf die nämliche Art fort. | ||||||
05 | 7. Isolirte Berge haben allezeit ein fürchterlicheres Ansehen als ganze | ||||||
06 | Gebirge, weil die vordersten Gebirgsreihen am niedrigsten sind, und | ||||||
07 | die erst nachfolgenden höhern, weil sie von jenen gedeckt werden, nicht | ||||||
08 | gesehen werden können. | ||||||
09 | Anmerkung 1. Manche Reisende haben starke Schilderungen von dem | ||||||
10 | beengten Gefühl entworfen, das ihnen auf hohen Bergen soll angewandelt | ||||||
11 | sein. Wirklich ist die Dichtigkeit der Luft in größern Höhen vermindert, und | ||||||
12 | daß ein kleiner Theil jenes Gefühls davon herrühren mag, kann immer seine | ||||||
13 | Richtigkeit haben. Aber Erfahrungen der Art, während einer oder doch nur | ||||||
14 | weniger Stunden, nur ein oder ein paar Mal angestellt, entscheiden darüber | ||||||
15 | nichts, weil der seltene Eindruck und die Größe des Anblicks unter solchen | ||||||
16 | Umständen unfehlbar auch, und wahrscheinlich am stärksten, jene Bangigkeit | ||||||
17 | zu erregen im Stande sind. Daß die Bergluft übrigens reiner und gesunder | ||||||
18 | ist als unter gleichen Umständen die Luft in ebenen Gegenden, ist durch die | ||||||
19 | Erfahrung vielfach bestätigt. Da hier aber der wirkenden Ursachen mehrere | ||||||
20 | sind: so bleibt es immer noch auszumitteln übrig, welchen Antheil die größere | ||||||
21 | Dünnigkeit der Luft daran habe. | ||||||
22 | Anmerkung 2. Ist es eine unleugbare, vielfach bestätigte Erfahrung, | ||||||
23 | daß Gebirgsbewohner sich durch Muth auszeichnen: so dürfte davon wohl nur | ||||||
24 | wenig auf Rechnung der Luft zu setzen sein. Der meistens undankbare Boden | ||||||
25 | auf Gebirgen, man denke nur an den Kaukasus und seine Bewohner, zwingt die, | ||||||
26 | welche auf ihm leben, zu den thätigsten Anstrengungen, sich ihre Lebensbedürfnisse | ||||||
27 | zu verschaffen. Die Kärglichkeit dieser letztern und daher entstandene Zwistigkeiten | ||||||
28 | und Kriege nöthigen jene Leute, fast allein nur und unablässig sich in einer gewissen | ||||||
29 | Körperthätigkeit zu erhalten. Das macht sie fest und robust. Die Beschränktheit | ||||||
30 | ihrer Wünsche und Bedürfnisse aber, so wie das Gefühl, daß man | ||||||
31 | nur sich, was man hat, zu verdanken habe, geben, vereinigt mit dem erstern, | ||||||
32 | Selbstvertrauen und Muth. | ||||||
33 | Anmerkung 3. Wollte man annehmen, daß bloß die Schweizer am | ||||||
34 | Heimweh leiden, von denen dies auch mehr in Rücksicht auf die ältern Zeiten als | ||||||
35 | in Beziehung auf die Gegenwart gilt, seitdem ihr Verkehr nicht ausschließlich | ||||||
36 | mehr auf ihre Berge und Thäler eingeschränkt ist: so würde man sehr irren, sondern, | ||||||
37 | je ärmlicher das Land, je beschwerlicher die Erhaltung des Lebens, je entfernter | ||||||
38 | die Sitte vom Luxus ist, um so stärker ist die Sehnsucht nach der Heimath | ||||||
39 | bei seinen entfernten Bewohnern. So lernte Frau v. la Roche bei ihrem Aufenthalte | ||||||
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