Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 209

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Die Wellen sind entweder lange, oder kurze, oder zurückschlagende      
  02 Wellen. Die erstern sind die besten und besonders im Biscayischen      
  03 Meere anzutreffen. Die mittleren aber sind wegen der schaukelnden      
  04 Bewegung, welche das Schiff, die Fässer, andere Waaren, auch selbst die      
  05 Schiffsleute erhalten, sehr gefährlich. Zurückschlagende Wellen endlich      
  06 sind da, wo es Untiefen giebt; das Wasser wird nämlich von dem Winde      
  07 gedrückt, und weil die Wellen an Felsen anstoßen, so werden sie wieder      
  08 zurückgeschlagen.      
           
  09 Die langen Wellen sind niemals an steilen, sondern an flachen      
  10 Küsten, und zwar in der Mitte, nicht nahe an denselben. Im Grunde der      
  11 See ist es meistens ruhig. Die Wellenbewegung nämlich findet gewöhnlich      
  12 nur auf der Oberfläche des Wassers statt. Wo aber das Meer nicht tief genug      
  13 ist, wie z. E. in der Ostsee, da kann der Wind das Wasser bis auf den      
  14 Grund bewegen, woher die kurzen oder zurückschlagenden Wellen entstehen.      
           
  15 Durch solche Wellen kann die Seestürzung bewirkt werden. Diese      
  16 entsteht, wenn eine Welle berstet, welches der Erfolg davon ist, daß der      
  17 Wind von der Seite steht und die Welle aufgehalten wird.      
           
  18 Je enger die Meere sind, desto untiefer sind sie auch. Daher haben      
  19 die Wellen in ihnen auch kein freies Spiel, sondern sind abgebrochen.      
  20 An der Kürze der Wellen kann man die Sandbänke erkennen. Alle Riffs      
  21 haben kalte Luft und Nebel. Dieser Umstand ist schwer zu erklären; aber      
  22 im Grunde ist es dieselbe Ursache wie bei den kurzen Wellen. Sie liegt      
  23 nämlich im Boden. In der tiefen See findet eine Kellerwärme statt,      
  24 welche in der Erde in einer Tiefe von siebenzig Fuß anzutreffen ist, und      
  25 die sich nach französischen Beobachtungen auch in der größten Tiefe beständig      
  26 gleich bleibt. Sie beträgt 25 1/2 Grad nach Fahrenheit's Thermometer.      
  27 Da nun das untere Wasser kälter ist als das obere, so muß der Wind      
  28 das Wasser auf solchem Riff, wo es nicht tief ist, und wo er also das      
  29 Wasser bis auf den Grund bewegen kann, von unten nach oben bringen.      
  30 Weil es nun oben einen höhern Grad der Wärme hat, als es die untere      
  31 Kellerwärme desselben ist: so muß hier, wenn nun jenes kältere Wasser      
  32 nach oben kommt, auch die Lufttemperatur kälter werden.      
           
  33 Die eigentliche und größte Höhe der Wellen kann man nicht genau      
  34 wissen; doch behaupten Einige, daß sie niemals höher als vier und zwanzig      
  35 Fuß steigen, welches Maß in zwei Theile getheilt, für die Höhe oder für      
  36 das Thal an der Welle eine Erhöhung von zwölf Fuß über oder eine eben      
  37 solche Vertiefung unter die Oberfläche des Meeres giebt.      
           
           
     

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