Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 191 |
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| 01 | 200-300 Loth Tiefe hat. Auch die Bestandtheile des Seegrundes sind | ||||||
| 02 | denen des Erdbodens ungemein gleich. | ||||||
| 03 | Die Spitzen der Berge im Wasser, wenn sie abgestumpft und breit | ||||||
| 04 | sind und über das Meer hervorragen, heißen Inseln. Lange Sandbänke, | ||||||
| 05 | die die Küste bedecken und daher das Herannahen der Schiffe | ||||||
| 06 | an das Land hindern, heißen Barren oder Riegel. So hat z. E. die | ||||||
| 07 | Koromandel=Küste wegen der davor liegenden Barren keinen brauchbaren | ||||||
| 08 | Hafen. Ein Riff ist eine Untiefe im Meere, bei der eine Sandbank befindlich | ||||||
| 09 | ist, die sich von dem Lande anfängt und weit in das Meer hinein | ||||||
| 10 | erstreckt, und zwar unter dem Wasser. Aus dem allen ist es zu vermuthen, | ||||||
| 11 | daß eine große Revolution auf der Erde vorgegangen sei, so | ||||||
| 12 | daß der gegenwärtige Boden des Meeres aus ehemals eingesunkenen | ||||||
| 13 | Ländern besteht, und daß es ein und eben dieselbe Kraft gewesen, welche | ||||||
| 14 | den Boden des Meeres concav, das übrige Land hingegen erhaben gemacht | ||||||
| 15 | und ihm eine convexe Gestalt gegeben habe. | ||||||
| 16 | Doch finden sich auch große Unähnlichkeiten zwischen dem Boden des | ||||||
| 17 | Meeres und dem Lande. Man darf daher denen nicht beistimmen, welche | ||||||
| 18 | glauben, daß zwischen beiden eine völlige Ähnlichkeit stattfinde. So befinden | ||||||
| 19 | sich im Meere Sand= und Erdbänke, wie z. B. die Doggersbank, | ||||||
| 20 | die sich von England bis Jütland erstreckt. Sie besteht aus | ||||||
| 21 | einem langen Hügel, der von beiden Seiten abschüssig ist, und wo man | ||||||
| 22 | dennoch ankern kann. Dergleichen giebt es aber auf dem Lande nicht. | ||||||
| 23 | Es finden sich in der See lange nicht so ansehnliche Berge wie auf | ||||||
| 24 | der Erde, und auf dieser dagegen nicht solche Abplattungen wie im Wasser. | ||||||
| 25 | Das vorher Angeführte ist eben die Ursache, warum man so wenige Häfen | ||||||
| 26 | in der Welt antrifft, weil nämlich an den wenigsten Stellen die Ufer | ||||||
| 27 | steil sind, und zum Hafen erfordert wird, daß man dicht am Lande anlegen | ||||||
| 28 | und gegen Stürme und Wellen gesichert sein könne, auch daselbst | ||||||
| 29 | mit jedem Anker Grund anzutreffen sei. Es giebt nämlich auch Moräste | ||||||
| 30 | und Triebsand, wo der Anker versinkt, oder der Seegrund ist steinicht, | ||||||
| 31 | wodurch das Ankertau zerrieben wird. Am liebsten ankert man an den | ||||||
| 32 | Küsten, und das sind Rheden, es ist aber schlimm, wenn die Küste | ||||||
| 33 | durchweg nur aus Rheden besteht, wie die Koromandel=Küste. Der Boden | ||||||
| 34 | ist aber alsdann erst zum Ankern tauglich, wenn der Seegrund nicht | ||||||
| 35 | steinicht, sondern weich ist. Außer einem guten Ankerplatze wird auch | ||||||
| 36 | noch zu einem Hafen erfordert, daß man sich dicht dem Lande nähern | ||||||
| 37 | könne, ferner, daß er inwendig geräumig sei, aber gegen das Meer hin | ||||||
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