Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 192 |
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01 | eine schmale Öffnung habe, damit er füglich vertheidigt werden könne und | ||||||
02 | das Anspielen der See das Schiff nicht beunruhige. | ||||||
03 | In Norwegen sind der Häfen so viele, daß sie nicht einmal alle | ||||||
04 | benannt werden können. Überhaupt trifft man in Europa die meisten | ||||||
05 | Häfen an, welches auch wohl mit eine Hauptursache sein mag, daß der | ||||||
06 | Handel in diesem Welttheile am meisten blüht. Ferner ist noch zu bemerken, | ||||||
07 | daß im Westen und Süden die meisten steilen Ufer, im Norden | ||||||
08 | und Osten aber deren nur wenigere sind, welches wohl daher rührt, weil | ||||||
09 | das Wasser oder der Strom des Oceans, der in alten Zeiten höher | ||||||
10 | war, von Osten gegen Süden floß, und das Erdreich, das er mit sich | ||||||
11 | fortführte, sich am ersten an der Westseite ansetzte. | ||||||
12 | Anmerkung 1. Barren entstehen meistens in Gegenden, an welchen | ||||||
13 | sich Sand fortführende Ströme in das Meer ergießen, indem hier das letztere | ||||||
14 | die erstern zurückhält und so ein Absetzen des Sandes an einer und derselben | ||||||
15 | Stelle bewirkt. | ||||||
16 | Anmerkung 2. Der Boden des Meeres hat mit dem Lande auch darin | ||||||
17 | Ähnlichkeit, daß er auf eine gleiche Weise geschichtet ist und nicht selten die nämlichen | ||||||
18 | Erdlagen wie das benachbarte Land enthält. Dies geht so weit, daß bei | ||||||
19 | entgegenstehenden, nicht zu sehr durch das Meer getrennten Ufern sich jene Erdschichten | ||||||
20 | von dem einen bis zu dem andern erstrecken, welches, noch mehr aber die | ||||||
21 | gleichsam in einander fassende Gestalt der Ufer, die aus guter Ursache aber bei den | ||||||
22 | Flüssen leichter bemerklich ist, ein gewaltsames Zerreißen der Länder vermittelst | ||||||
23 | des einströmenden Meeres verräth. | ||||||
24 | §. 17. |
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25 | Was die Art und Weise die Tiefe zu erforschen betrifft, so müssen wir | ||||||
26 | merken, daß solches durch ein, an ein dünnes Seil befestigtes Gewicht geschieht, | ||||||
27 | welches die Holländer Loth nennen, und 30 Pfunde schwer ist. | ||||||
28 | Das Gewicht selbst hat die Gestalt eines Zuckerhutes mit einem eingebogenen | ||||||
29 | Boden. Es muß eine größere Schwere haben als das Seil, an | ||||||
30 | welchem es befestigt ist, damit man abzunehmen im Stande sei, wenn es | ||||||
31 | bis auf den Boden gelangt ist. Man hat die Bemerkung gemacht, da | ||||||
32 | die größte Tiefe des Meeres den unweit davon gelegenen höchsten Bergen | ||||||
33 | gleich sei, wenn man ungefähr 2/3 davon abzieht. Folglich würde die | ||||||
34 | größte Tiefe 2000 rheinländische Ruthen betragen. Daß die Ostsee nicht | ||||||
35 | tief ist, rührt daher, weil das benachbarte Polen und Preußen flache | ||||||
36 | Länder sind. Wenn man nun gleich nicht annehmen wollte, daß das Seil | ||||||
37 | oder überhaupt jeder schwere Körper durch sein eignes Gewicht zerreißen | ||||||
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