Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 033 |
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| 01 | Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Kritik, und man muß sehen, | ||||||
| 02 | was aus den kritischen Versuchen unsrer Zeit, in Absicht auf Philosophie | ||||||
| 03 | und Metaphysik insbesondre, werden wird. | ||||||
| 04 | V |
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| 05 | Erkenntniß überhaupt.- Intuitive und discursive |
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| 06 | Erkenntniß; Anschauung und Begriff und deren Unterschied |
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| 07 | insbesondre. - Logische und ästhetische Vollkommenheit |
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| 08 | des Erkenntnisses. |
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| 09 | Alle unsre Erkenntniß hat eine zwiefache Beziehung: erstlich eine | ||||||
| 10 | Beziehung auf das Object, zweitens eine Beziehung auf das Subject. | ||||||
| 11 | In der erstern Rücksicht bezieht sie sich auf Vorstellung, in der letztern | ||||||
| 12 | aufs Bewußtsein, die allgemeine Bedingung alles Erkenntnisses überhaupt. | ||||||
| 13 | (Eigentlich ist das Bewußtsein eine Vorstellung, daß eine andre | ||||||
| 14 | Vorstellung in mir ist.) | ||||||
| 15 | In jeder Erkenntniß muß unterschieden werden Materie, d. i. der | ||||||
| 16 | Gegenstand, und Form, d. i. die Art, wie wir den Gegenstand erkennen. | ||||||
| 17 | Sieht z. B. ein Wilder ein Haus aus der Ferne, dessen Gebrauch er nicht | ||||||
| 18 | kennt: so hat er zwar eben dasselbe Object wie ein Anderer, der es bestimmt | ||||||
| 19 | als eine für Menschen eingerichtete Wohnung kennt, in der Vorstellung | ||||||
| 20 | vor sich. Aber der Form nach ist dieses Erkenntniß eines und | ||||||
| 21 | desselben Objects in beiden verschieden. Bei dem Einen ist es bloße | ||||||
| 22 | Anschauung, bei dem Andern Anschauung und Begriff zugleich. | ||||||
| 23 | Die Verschiedenheit der Form des Erkenntnisses beruht auf einer | ||||||
| 24 | Bedingung, die alles Erkennen begleitet, auf dem Bewußtsein. Bin | ||||||
| 25 | ich mir der Vorstellung bewußt: so ist sie klar; bin ich mir derselben | ||||||
| 26 | nicht bewußt, dunkel. | ||||||
| 27 | Da das Bewußtsein die wesentliche Bedingung aller logischen Form | ||||||
| 28 | der Erkenntnisse ist: so kann und darf sich die Logik auch nur mit klaren, | ||||||
| 29 | nicht aber mit dunkeln Vorstellungen beschäftigen. Wir sehen in der Logik | ||||||
| 30 | nicht, wie Vorstellungen entspringen, sondern lediglich, wie dieselben mit | ||||||
| 31 | der logischen Form übereinstimmen. Überhaupt kann die Logik auch gar | ||||||
| 32 | nicht von den bloßen Vorstellungen und deren Möglichkeit handeln. Das | ||||||
| 33 | überläßt sie der Metaphysik. Sie selbst beschäftigt sich bloß mit den | ||||||
| 34 | Regeln des Denkens bei Begriffen, Urtheilen und Schlüssen, als wodurch | ||||||
| 35 | alles Denken geschieht. Freilich geht etwas vorher, ehe eine Vorstellung | ||||||
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