Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 018 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | können daher jede Wissenschaft eine praktische Logik nennen; denn in | ||||||
02 | jeder müssen wir eine Form des Denkens haben. Die allgemeine Logik, | ||||||
03 | als praktisch betrachtet, kann daher nichts weiter sein als eine Technik | ||||||
04 | der Gelehrsamkeit überhaupt, ein Organon der Schulmethode. | ||||||
05 | Dieser Eintheilung zufolge würde also die Logik einen dogmatischen | ||||||
06 | und einen technischen Theil haben. Der erste würde die Elementarlehre, | ||||||
07 | der andere die Methodenlehre heißen können. Der praktische | ||||||
08 | oder technische Theil der Logik wäre eine logische Kunst in Ansehung | ||||||
09 | der Anordnung und der logischen Kunstausdrücke und Unterschiede, um | ||||||
10 | dem Verstande dadurch sein Handeln zu erleichtern. | ||||||
11 | In beiden Theilen, dem technischen so wohl als dem dogmatischen, | ||||||
12 | würde aber weder auf Objecte noch auf das Subject des Denkens die | ||||||
13 | mindeste Rücksicht genommen werden dürfen. In der letztern Beziehung | ||||||
14 | würde die Logik eingetheilt werden können | ||||||
15 | 4) in die reine und in die angewandte Logik. | ||||||
16 | In der reinen Logik sondern wir den Verstand von den übrigen Gemüthskräften | ||||||
17 | ab und betrachten, was er für sich allein thut. Die angewandte | ||||||
18 | Logik betrachtet den Verstand, sofern er mit den andern Gemüthskräften | ||||||
19 | vermischt ist, die auf seine Handlungen einfließen und ihm eine | ||||||
20 | schiefe Richtung geben, so daß er nicht nach den Gesetzen verfährt, von | ||||||
21 | denen er wohl selbst einsieht, daß sie die richtigen sind. Die angewandte | ||||||
22 | Logik sollte eigentlich nicht Logik heißen. Es ist eine Psychologie, in welcher | ||||||
23 | wir betrachten, wie es bei unserm Denken zuzugehen pflegt, nicht, | ||||||
24 | wie es zugehen soll. Am Ende sagt sie zwar, was man thun soll, um | ||||||
25 | unter mancherlei subjectiven Hindernissen und Einschränkungen einen richtigen | ||||||
26 | Gebrauch vom Verstande zu machen; auch können wir von ihr lernen, | ||||||
27 | was den richtigen Verstandesgebrauch befördert, die Hülfsmittel | ||||||
28 | desselben oder die Heilungsmittel von logischen Fehlern und Irrthümern. | ||||||
29 | Aber Propädeutik ist sie doch nicht. Denn die Psychologie, aus welcher | ||||||
30 | in der angewandten Logik alles genommen werden muß, ist ein Theil der | ||||||
31 | philosophischen Wissenschaften, zu denen die Logik die Propädeutik sein soll. | ||||||
32 | Zwar sagt man: die Technik, oder die Art und Weise, eine Wissenschaft | ||||||
33 | zu bauen, solle in der angewandten Logik vorgetragen werden. Das | ||||||
34 | ist aber vergeblich, ja sogar schädlich. Man fängt dann an zu bauen, ehe | ||||||
35 | man Materialien hat und giebt wohl die Form, es fehlt aber am Inhalte. | ||||||
36 | Die Technik muß bei jeder Wissenschaft vorgetragen werden. | ||||||
37 | Was endlich | ||||||
[ Seite 017 ] [ Seite 019 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |