Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 019

     
           
 

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  01 5) die Eintheilung der Logik in die Logik des gemeinen und die des      
  02 speculativen Verstandes betrifft: so bemerken wir hierbei, da      
  03 diese Wissenschaft gar nicht so eingetheilt werden kann.      
           
  04 Sie kann keine Wissenschaft des speculativen Verstandes      
  05 sein. Denn als eine Logik des speculativen Erkenntnisses oder des speculativen      
  06 Vernunftgebrauchs wäre sie ein Organon andrer Wissenschaften      
  07 und keine bloße Propädeutik, die auf allem möglichen Gebrauch des Verstandes      
  08 und der Vernunft gehen soll.      
           
  09 Eben so wenig kann die Logik ein Product des gemeinen Verstandes      
  10 sein. Der gemeine Verstand nämlich ist das Vermögen, die      
  11 Regeln des Erkenntnisses in concreto einzusehen. Die Logik soll aber      
  12 eine Wissenschaft von den Regeln des Denkens in abstracto sein.      
           
  13 Man kann indessen den allgemeinen Menschenverstand zum Object      
  14 der Logik annehmen, und in so fern wird sie von den besonderen Regeln      
  15 der speculativen Vernunft abstrahiren und sich also von der Logik des      
  16 speculativen Verstandes unterscheiden.      
           
  17 Was den Vortrag der Logik betrifft: so kann derselbe entweder scholastisch      
  18 oder popular sein.      
           
  19 Scholastisch ist er, sofern er angemessen ist der Wißbegierde, den      
  20 Fähigkeiten und der Cultur derer, die das Erkenntniß der logischen Regeln      
  21 als eine Wissenschaft behandeln wollen. Popular aber, wenn er zu den      
  22 Fähigkeiten und Bedürfnissen derjenigen sich herabläßt, welche die Logik      
  23 nicht als Wissenschaft studiren, sondern sie nur brauchen wollen, um ihren      
  24 Verstand aufzuklären. - Im scholastischen Vortrage müssen die Regeln      
  25 in ihrer Allgemeinheit oder in abstracto ; im popularen dagegen im      
  26 Besondern oder in concreto dargestellt werden. Der scholastische Vortrag      
  27 ist das Fundament des popularen; denn nur derjenige kann etwas      
  28 auf eine populare Weise vortragen, der es auch gründlicher vortragen könnte.      
           
  29 Wir unterscheiden übrigens hier Vortrag von Methode. Unter      
  30 Methode nämlich ist die Art und Weise zu verstehen, wie ein gewisses      
  31 Object, zu dessen Erkenntniß sie anzuwenden ist, vollständig zu erkennen      
  32 sei. Sie muß aus der Natur der Wissenschaft selbst hergenommen werden      
  33 und läßt sich also, als eine dadurch bestimmte und nothwendige Ordnung      
  34 des Denkens, nicht ändern. Vortrag bedeutet nur die Manier,      
           
     

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