Kant: AA VIII, Verkündigung des nahen ... , Seite 421 |
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01 | nicht ein moralisches Princip) die Rede sei; daß nicht, wenn die | ||||||
02 | Maxime meines Willens, zum allgemeinen Gesetz gemacht, der Maxime | ||||||
03 | des Willens eines anderen, sondern wenn sie sich selbst widerspricht | ||||||
04 | (welches ich aus dem bloßen Begriffe, a priori, ohne alle Erfahrungsverhältnisse, | ||||||
05 | z. B. "ob Gütergleichheit oder ob Eigenthum in meine | ||||||
06 | Maxime aufgenommen werde," nach dem Satz des Widerspruchs beurtheilen | ||||||
07 | kann), dieses ein unfehlbares Kennzeichen der moralischen Unmöglichkeit | ||||||
08 | der Handlung sei. - Bloße Unkunde, vielleicht auch etwas | ||||||
09 | böser Hang zur Schikane konnte diesen Angriff hervorbringen, welcher | ||||||
10 | indeß der | ||||||
11 | Verkündigung eines ewigen Friedens in der Philosophie | ||||||
12 | nicht Abbruch thun kann. Denn ein Friedensbund, der so beschaffen | ||||||
13 | ist: daß, wenn man sich einander nur versteht, er auch sofort (ohne Kapitulation) | ||||||
14 | geschlossen ist, kann auch für geschlossen, wenigstens dem Abschluß | ||||||
15 | nahe angekündigt werden. | ||||||
16 | Wenn auch Philosophie bloß als Weisheitslehre (was auch ihre | ||||||
17 | eigentliche Bedeutung ist) vorgestellt wird, so kann sie doch auch als Lehre | ||||||
18 | des Wissens nicht übergegangen werden: sofern dieses (theoretische) Erkenntniß | ||||||
19 | die Elementarbegriffe enthält, deren sich die reine Vernunft bedient; | ||||||
20 | gesetzt, es geschähe auch nur, um dieser ihre Schranken vor Augen | ||||||
21 | zu legen. Es kann nun kaum die Frage von der Philosophie in der | ||||||
22 | ersteren Bedeutung sein: ob man frei und offen gestehen solle, was und | ||||||
23 | woher man das in der That von ihrem Gegenstande (dem sinnlichen und | ||||||
24 | übersinnlichen) wirklich wisse, oder in praktischer Rücksicht (weil die Annehmung | ||||||
25 | desselben dem Endzweck der Vernunft beförderlich ist) nur voraussetze. | ||||||
27 | Es kann sein, daß nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält | ||||||
28 | (denn er kann irren); aber in allem, was er sagt, muß er wahrhaft | ||||||
29 | sein (er soll nicht täuschen): es mag nun sein, daß sein Bekenntniß bloß | ||||||
30 | innerlich (vor Gott) oder auch ein äußeres sei. - Die Übertretung dieser | ||||||
31 | Pflicht der Wahrhaftigkeit heißt die Lüge; weshalb es äußere, aber auch | ||||||
32 | eine innere Lüge geben kann: so daß beide zusammen vereinigt, oder auch | ||||||
33 | einander widersprechend sich ereignen können. | ||||||
34 | Eine Lüge aber, sie mag innerlich oder äußerlich sein, ist zwiefacher | ||||||
35 | Art: 1) wenn man das für wahr ausgiebt, dessen man sich doch als unwahr | ||||||
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