Kant: AA VIII, Von einem neuerdings erhobenen ... , Seite 403

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Menschheit und zugleich die Undurchdringlichkeit des Geheimnisses, welches      
  02 sie verhüllt (denn die Antwort: es ist die Freiheit, wäre tautologisch,      
  03 weil diese eben das Geheimniß selbst ausmacht), die ganze Seele auf. Man      
  04 kann nicht satt werden sein Augenmerk darauf zu richten und in sich selbst      
  05 eine Macht zu bewundern, die keiner Macht der Natur weicht; und diese      
  06 Bewunderung ist eben das aus Ideen erzeugte Gefühl, welches, wenn über      
  07 die Lehren der Moral von Schulen und Kanzeln noch die Darstellung dieses      
  08 Geheimnisses eine besondere, oft wiederholte Beschäftigung der Lehrer ausmachte,      
  09 tief in die Seele eindringen und nicht ermangeln würde die Menschen      
  10 moralisch besser zu machen.      
           
  11 Hier ist nun das, was Archimedes bedurfte, aber nicht fand: ein fester      
  12 Punkt, woran die Vernunft ihren Hebel ansetzen kann, und zwar, ohne ihn      
  13 weder an die gegenwärtige, noch eine künftige Welt, sondern bloß an ihre      
  14 innere Idee der Freiheit, die durch das unerschütterliche moralische Gesetz      
  15 als sichere Grundlage darliegt, anzulegen, um den menschlichen Willen      
  16 selbst beim Widerstande der ganzen Natur durch ihre Grundsätze zu bewegen.      
  17 Das ist nun das Geheimniß, welches nur nach langsamer Entwickelung      
  18 der Begriffe des Verstandes und sorgfältig geprüften Grundsätzen, also      
  19 nur durch Arbeit, fühlbar werden kann. - Es ist nicht empirisch (der Vernunft      
  20 zur Auflösung aufgestellt), sondern a priori (als wirkliche Einsicht      
  21 innerhalb der Gränze unserer Vernunft) gegeben und erweitert sogar das      
  22 Vernunfterkenntniß, aber nur in praktischer Rücksicht, bis zum Übersinnlichen:      
  23 nicht etwa durch ein Gefühl, welches Erkenntniß begründete (das      
  24 mystische), sondern durch ein deutliches Erkenntniß, welches auf Gefühl      
  25 (das moralische) hinwirkt. - Der Ton des sich dünkenden Besitzers dieses      
  26 wahren Geheimnisses kann nicht vornehm sein: denn nur das dogmatische      
  27 oder historische Wissen bläht auf. Das durch Kritik seiner eigenen Vernunft      
  28 herabgestimmte des Ersteren nöthigt unvermeidlich zur Mäßigung      
  29 in Ansprüchen (Bescheidenheit); die Anmaßung des letzteren aber, die Belesenheit      
  30 im Plato und den Classikern, die nur zur Cultur des Geschmacks      
  31 gehört, kann nicht berechtigen mit ihr den Philosophen machen zu      
  32 wollen.      
           
  33 Die Rüge dieses Anspruchs schien mir jetziger Zeit nicht überflüssig      
  34 zu sein, wo Ausschmückung mit dem Titel der Philosophie eine Sache der      
  35 Mode geworden, und der Philosoph der Vision (wenn man einen solchen      
  36 einräumt) wegen der Gemächlichkeit die Spitze der Einsicht durch einen      
  37 kühnen Schwung ohne Mühe zu erreichen unbemerkt einen großen Anhang      
           
     

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