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Kant: AA VIII, Von einem neuerdings erhobenen ... , Seite 394 |
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Text (Kant): |
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01 |
zulangen: wo es nöthig war das Organ des Denkens in sich selbst, die |
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Vernunft, nach den zwei Feldern derselben, dem theoretischen und praktischen, |
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vorher einzutheilen und zu messen, welche Arbeit aber späteren |
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Zeiten aufbehalten blieb. |
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Jetzt wollen wir doch den neuen Ton im Philosophiren (bei dem man |
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der Philosophie entbehren kann) anhören und würdigen. |
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Daß vornehme Personen philosophiren, wenn es auch bis zu den |
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Spitzen der Metaphysik hinauf geschähe, muß ihnen zur größten Ehre angerechnet |
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werden, und sie verdienen Nachsicht bei ihrem (kaum vermeidlichen) |
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Verstoß wider die Schule, weil sie sich doch zu dieser auf den Fu |
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der bürgerlichen Gleichheit herablassen*). - Daß aber sein wollende Philosophen |
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vornehm thun, kann ihnen auf keine Weise nachgesehen werden, |
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weil sie sich über ihre Zunftgenossen erheben und deren unveräußerliches |
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Recht der Freiheit und Gleichheit in Sachen der bloßen Vernunft verletzen. |
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*) Es ist doch ein Unterschied zwischen Philosophiren und den Philosophen machen. Das letztere geschieht im vornehmen Ton, wenn der Despotism über die Vernunft des Volks (ja wohl gar über seine eigene) durch Fesselung an einen blinden Glauben für Philosophie ausgegeben wird. Dahin gehört dann z. B. "der Glaube an die Donnerlegion zu Zeiten des Mark Aurel", imgleichen "an das dem Apostaten Julian zum Possen unter dem Schutt von Jerusalem durch ein Wunder hervorgebrochene Feuer", welcher für die eigentliche ächte Philosophie ausgegeben und das Gegentheil derselben "der Köhlerunglaube" genannt wird (gerade als ob die Kohlbrenner tief in ihren Wäldern dafür berüchtigt wären in Ansehung der ihnen zugetragenen Märchen sehr ungläubisch zu sein): wozu dann auch die Versicherung kommt, daß es mit der Philosophie seit schon zweitausend Jahren ein Ende habe, weil "der Stagirit für die Wissenschaft soviel erobert habe, daß er wenig Erhebliches mehr den Nachfolgern zu erspähen überlassen hat". So sind die Gleichmacher der politischen Verfassung nicht bloß diejenigen, welche nach Rousseau wollen, daß die Staatsbürger insgesammt einander gleich seien, weil ein Jeder Alles ist; sondern auch diejenigen, welche wollen, daß Alle einander gleichen, weil sie außer Einem insgesammt nichts seien, und sind Monarchisten aus Neid: die bald den Plato, bald den Aristoteles auf den Thron erheben, um bei dem Bewußtsein ihres eigenen Unvermögens selbst zu denken die verhaßte Vergleichung mit andern zugleich Lebenden nicht auszustehen. Und so macht (vornehmlich durch den letzteren Ausspruch) der vornehme Mann dadurch den Philosophen, daß er allem ferneren Philosophiren durch Obscuriren ein Ende macht. - - Man kann dieses Phänomen nicht besser in seinem gehörigen Lichte darstellen, als durch die Fabel von Voß (Berl. Monatsschr. Novemb. 1795, letztes Blatt), ein Gedicht, das allein eine Hekatombe werth ist. |
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